Zuckerbrot statt Peitsche:
Mit Lohnkostenzuschüssen für Putzhilfen könnte die illegale Beschäftigung massiv abgebaut werden

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January 20, 2004, Süddeutsche Zeitung

(Gastbeitrag von Tilman Brück und Klaus F. Zimmermann)
 

Die Bundesregierung beabsichtigt, Schwarzarbeit in Deutschland zu kriminalisieren und möchte so der illegalen Beschäftigung in Privathaushalten entgegentreten. 2,6 Millionen deutsche Haushalte beschäftigen illegal Putzhilfen, Babysitter und Gärtner. Lediglich 40.000 Haushalte hatten vor der Einführung der Minijobs ihre Haushaltshilfe bei der Sozialversicherung angemeldet. Für die meisten war eine reguläre Beschäftigung schlicht zu teuer - und die Gefahr der Enttarnung gering. Auch die neuen Minijobs sind nicht sehr attraktiv. Die Formulare sind für Laien schwer zu verstehen, die Lohnzuschüsse werden nur über die Steuererklärung erstattet (die nicht alle Bürger abgeben müssen) und Minijobs ermöglichen es keiner Putzfrau, aus ihrer Tätigkeit einen Vollzeitjob zu machen. Doch die Drohung mit Strafen wird wenig bewirken, da Privathaushalte für den Staat weiterhin schwer zugänglich bleiben.

Doch es gibt eine einfache und überzeugende Alternative. Um wirklich eine große Zahl von Geringqualifizierten zur Aufnahme legaler Putzjobs zu bewegen, sollte die Bundesregierung Zuckerbrot verteilen statt die Peitsche zu schwingen. Statt stärkerer Kontrollen und Strafen könnte der Staat mit Lohnzuschüssen Anreize für die Schaffung von Vollzeit-Arbeitsplätzen schaffen. Damit würde den privaten Haushalten, den Arbeitslosen wie dem Finanzminister gleichermaßen geholfen.

Ein Problem des deutschen Arbeitsmarktes ist die hohe Arbeitslosenquote von Geringqualifizierten, die in Westdeutschland über 20 und in Ostdeutschland sogar über 50 Prozent liegt. Die Lohnnebenkosten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer behindern die legale Nachfrage nach haushaltsnahen Diensten. Putzen, Kochen, Einkaufen und Kinderbetreuung bleiben so in Deutschland überwiegend eine Beschäftigung für Ehefrauen und Mütter oder für Schwarzarbeiter, nicht für private Dienstleister. So reduzieren die hohen Lohnnebenkosten die legale Nachfrage nach den gering qualifizierten Arbeitskräften, denen in Deutschland reguläre Jobs fehlen. Im schlimmsten Fall kassieren Arbeitslose gleichzeitig staatliche Hilfe und arbeiten schwarz und werden so zu „Doppel-Verdienern".

Eine marktwirtschaftlich organisierte Niedriglohnbeschäftigung in Privathaushalten ist aber möglich. Kern der Initiative sind Lohnkostenzuschüsse für Haushaltshilfen, um legale Marktpreise dem Schwarzmarktniveau anzunähern. Im Vergleich zum Steuerfreibetrag profitieren davon auch einkommensschwache Haushalte. Es sind nicht nur reiche Haushalte, die sich eine Haushaltshilfe leisten, sondern auch Geringverdiener wie Alleinerziehende oder Rentner, die auf Putzhilfe, Pflege und Kinderbetreuung angewiesen sind. Zuschüsse gäbe es für Dienstleistungen in Privathaushalten, unabhängig von der Zahl der Stunden, die pro Woche gearbeitet werden. Die Zuschüsse werden den Haushalten nicht direkt ausgezahlt, was die Verwaltung vereinfacht, sondern durch Dienstleistungsagenturen, die ähnlich wie die Dienste der Altenpflege funktionieren. Dies gewährleistet, dass die Haushaltsdienste professionell organisiert werden, die Beschäftigten durch Vermittlung in verschiedene Haushalte Vollzeitjobs und eine Krankenversicherung erhalten und die Haushalte sich nicht selbst um die Administration der Haushaltshilfe kümmern müssen.


500.000 neue Jobs

Warum haben sich solche Agenturen nicht schon längst am Markt entwickelt? Hier spielen die hohen Kosten für regulär erbrachte Dienste eine entscheidende Rolle. Dienstleistungsagenturen für Haushalte können sich nur entfalten, wenn sie ihre Dienste zum Preis der Schwarzarbeit anbieten. Faktisch bedeutet dies, dass der Staat die Agenturen für Haushaltshilfen bezuschussen muss. Möglicherweise kann der Staat sein Engagement mittelfristig reduzieren, wenn sich der legale Markt hinreichend entwickelt hat.

Wissenschaftliche Berechungen zeigen, dass so bis zu 500.000 reguläre Arbeitsplätze geschaffen werden können – vor allem für die am meisten von Arbeitslosigkeit betroffenen Bevölkerungsgruppen. Die Lohnsubventionen wären also keine Zuschüsse für die Dienstmädchen der Reichen, sondern ein Beschäftigungsprogramm für eine wichtige Risikogruppe am Arbeitsmarkt. Die Kosten eines solchen Programms wären gering.

Zum Teil finanziert sich das Programm durch Einsparungen bei Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe. Außerdem gibt es weniger Schwarzarbeit, wenn mehr Menschen einen vollen Job als Haushaltshilfe ausüben. So wird der Betrug am Sozialstaat reduziert und die Ausgaben für Arbeitslosigkeit ebenfalls. Frauen und Mütter werden gleichzeitig ermuntert, einen Job anzunehmen, weil sie zu Hause professionell unterstützt werden. So kann das Zuckerbrot des Lohnzuschusses für Haushaltshilfen viele positive Effekte auslösen. Ähnliches ist von der Peitsche der Kriminalisierung leider nicht zu erwarten.


Reprinted with permission.

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