Mit Zeitarbeit gegen die Krise

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September 17, 2016, Der Standard

(Includes statement from Hilmar Schneider)
 

Was Zeitarbeit in wirtschaftlichen Krisen leisten kann, war Thema bei der Enquete der Personaldienstleister in Wien. Die Keynote hielt der renommierte deutsche Arbeitsforscher Hilmar Schneider. Eine kleine Gruppe, die in Österreich laut "Ciett Economic Report" derzeit 1,8 Prozent der Berufstätigen ausmacht: Zeitarbeiter. Ihr Anteil wächst jedoch europaweit seit Jahren stetig. Aber welche Rolle spielen sie am Arbeitsmarkt? Ist Zeitarbeit möglicherweise ein Mittel gegen wirtschaftliche Krisen? Unter anderem diesen Fragen widmete sich die vierte Enquete der Wiener Personaldienstleister am Dienstag in Wien, organisiert von der Fachgruppe der gewerblichen Dienstleister in der Wirtschaftskammer Wien. Keynoter Hilmar Schneider, Geschäftsführer des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn, gab dabei eine Art Crashkurs in Sachen Zeitarbeit. Er machte klar, dass die Arbeitsform ganz unterschiedliche Funktionen erfüllt: Mal ist sie eine Art Flexibilisierungspuffer, behebt kurzfristige Engpässe an Arbeitnehmern - mal dient sie als Rekrutierungsinstrument.

Welches Modell nun zum Einsatz komme, sei von Land zu Land unterschiedlich, sagt Schneider - und hänge ganz wesentlich damit zusammen, wie stark der Arbeitsmarkt reguliert ist. In Deutschland oder Österreich etwa herrsche das "Agenturprinzip": Unternehmen setzen Zeitarbeiter ein, um flexibel auf personelle Engpässe zu reagieren. "Leute, die sie längerfristig behalten wollen, kennen sie aus der Lehre." In Großbritannien wiederum gibt es eine vergleichbare Form der strukturierten Ausbildung nicht. Dort - wo der Anteil an Zeitarbeitern übrigens mit 3,9 Prozent vergleichsweise hoch ist - werde Zeitarbeit als Rekrutierungsinstrument genutzt. "Jemand, der so vorselektiert wurde, passt mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Unternehmen."

Dementsprechend könne Zeitarbeit dann auch ein Sprungbrett in einen regulären Job sein. In Österreich und Deutschland eher nicht, "da erfüllen Zeitarbeiter ja nur eine Lücke". Die Arbeitsform sei längerfristiger angelegt. "Zeitarbeiter bleiben tendenziell Zeitarbeiter", sagt Schneider. Auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft fand, dass nur etwa 14 Prozent der Zeitarbeiter in die Stammbelegschaft übernommen werden.

Schneider zur Frage, ob Zeitarbeit nun in Krisenzeiten Abhilfe schaffen könne: "In Deutschland ist sie Teil des Erfolgsmodells." Sie expandierte dort ab 2005 - und profitierte von ihrer Liberalisierung im Rahmen der Hartz-Gesetze, von einem faktisch erstarkten Kündigungsschutz und von einer gestiegenen Konzessionsbereitschaft der Arbeitssuchenden.

Trotzdem sähen viele die Zeitarbeit kritisch, sagt Schneider, bezeichneten sie als "Krebsgeschwür", das sich ausbreite und fixe Jobs koste. "Dass inzwischen jede dritte offene Stelle in der Zeitarbeit angeboten wird, ist aber kein Beweis für Verdrängung. Zeitarbeit ergänzt reguläre Beschäftigung, aber ersetzt sie nicht", so Schneider. Der Experte skizziert, was zu erwarten wäre, wenn versucht wird, die Zeitarbeit zurückzudrängen: Steigende Preise verringerten die Nachfrage nach den betroffenen Gütern. "Dessen muss man sich bewusst sein", sagt Schneider. Alternative Formen der Flexibilisierung - à la Arbeitszeitflexibilität, Minijobs und befristete Beschäftigung - könnten den drohenden Rückgang der Nachfrage nicht vollständig kompensieren.

Letztlich verschlechtere sich die Wettbewerbssituation, und die Beschäftigung gehe insgesamt zurück. "Das zeigt: Die besten Absichten bringen nicht immer die besten Ergebnisse. Die größten Verlierer werden ausgerechnet diejenigen sein, die Politik und Gewerkschaften zu schützen vorgeben."


Reprinted with permission.

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