Enorme Hürden

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February 25, 2013, Wirtschaftswoche

(Op-ed by Klaus F. Zimmermann)
 

DENKFABRIK | Das lang diskutierte Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU nimmt Gestalt an. Doch die Politik drückt sich bislang um eine zentrale Frage herum: Soll neben dem freien Fluss der Güter auch eine ungehinderte Mobilität von Arbeitskräften geschaffen werden? Ökonomisch wäre dies ein Segen. Von Klaus F. Zimmermann.

Nun werden die weltwirtschaftlichen Karten also neu gemischt. In seiner Rede zur Nation hat US-Präsident Barack Obama Mitte Februar den Beginn von Gesprächen über ein umfassendes Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union angekündigt; schon im Juni sollen die Verhandlungen beginnen.

Die Vision einer transatlantischen Wirtschaftszone zwischen den USA und der EU ist nicht neu. Manche Beobachter sehen darin den Versuch, die alte Weltordnung, die ökonomisch und politisch auf der transatlantischen Achse ruht, mit neuem Leben zu erfüllen. Die zentrale Frage lautet: Geht es hier nur um ein Freihandelsabkommen - oder geht es um den Einstieg in einen funktionsfähigen, echten transatlantischen Binnenmarkt? In diesem Fall nämlich muss - neben anderen wichtigen Feldern wie der Haushalts- und Fiskalpolitik - insbesondere die Wanderungspolitik ein zentraler Bestandteil der politischen Debatte werden.

Es ist ökonomisch erwiesen, dass der Abbau von Restriktionen bei der Arbeitsmobilität die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt noch stärker erhöht als die Reduzierung von Handelshemmnissen. Freie Arbeitsmobilität schafft Jobs, sie stärkt den Handel und den Austausch von Dienstleistungen. Dies gilt umso mehr im Zeitalter des Informationskapitalismus. Menschen sind die Träger des immer wichtiger werdenden Faktors Wissen. Arbeitsmobilität unterstützt deshalb Innovationen und Wachstum. Und die demografischen Umwälzungen vor allem in Europa und Asien sowie steigende Bildung und Einkommen erhöhen auf längere Sicht die globale Migrationsbereitschaft.

Wir sollten darum jetzt nicht auf transatlantischer Ebene die Fehler wiederholen, die Europa bei der Entwicklung seiner Binnenwirtschaft gemacht hat. Wir haben dem gemeinsamen Arbeitsmarkt zu lange keine Priorität eingeräumt - mit der fatalen Folge, dass sich die Arbeitsmärkte innerhalb der Euro-Zone nicht so integrierten, wie es notwendig gewesen wäre.

MOBILITÄT STÄRKEN

Bei dem nun diskutierten Abkommen mit Amerika geht es zwar um Handel und Dienstleistungen, um Normen und Standards, bislang aber nicht um die Mobilität des Faktors Arbeit. Beide Seiten ringen hier intern noch um eine geschlossene Position. Die EU- Kommission strebt eine stärkere internationale Öffnung des europäischen Arbeitsmarktes an, wird aber von wichtigen Mitgliedsländern, allen voran Deutschland, gebremst. Zugleich ist die von Brüssel propagierte Blue-Card, die EU-Einwanderern die problemlose Mobilität in Europa ermöglichen sollte, bisher weitgehend ein Flop.

Amerika wiederum diskutiert nicht erst seit der Obama-Rede Ende Januar in Las Vegas die Reform seiner Migrationspolitik. Der Friedensnobelpreisträger Obama hat bisher eine überraschend restriktive Politik gegenüber den Illegalen betrieben - unter keinem anderen US-Präsidenten hat es so viele Ausweisungen gegeben. Er war vor allem darauf bedacht, durch Betonung von "law and order"-Maßnahmen eine breitere politische Basis für Reformen an anderer Stelle zu schaffen. Die USA halten an einer eher zögerlichen Einbürgerungsstrategie fest, auch wenn vermehrt hoch qualifizierte Fachkräfte angeworben und ausländische Hochschulabsolventen im Land gehalten werden sollen.

Dies zeigt die enormen Hürden, die noch auf beiden Seiten bestehen. Gleichwohl muss ein transatlantischer Binnenmarkt von Anfang an auf integrierte Arbeitsmärkte setzen, wenn er sein Hauptziel, die nachhaltige Stimulierung der Wirtschaft, erfüllen soll. Dies gilt umso mehr, als weltweit ein wachsender Mangel an Fachkräften erkennbar ist, der in einen heftigen und unfruchtbaren Wettbewerb münden kann. Auch hier müssen Europa und Amerika grundlegend umdenken. Aufsteigernationen wie China oder Indien bestimmen zunehmend die Bedingungen. China zielt langfristig darauf ab, die USA von der Spitzenposition bei der Bildung und der Einwerbung von Humankapital zu verdrängen.

GREENCARD AUF ZEIT

Dies sollte die Erkenntnis in Europa und Amerika vorantreiben, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, die restriktive Haltung zur Arbeitsmobilität zu überdenken und konkrete Reformen anzuschieben. Denkbar wären zum Beispiel temporäre Greencards für Personen mit Jobangeboten, dauerhafte Arbeitserlaubnisse für hoch Qualifizierte, ein verstärkter und erleichterter transatlantischer Studentenaustausch und Kooperationen in der Lehrlingsausbildung.

Wie futuristisch ist dies alles? Bereits die Verständigung über eine Freihandelszone ist angesichts der sich abzeichnenden politischen Widerstände auf beiden Kontinenten eine große Herausforderung. Der Einsatz für freiere Arbeitsmärkte mag den Politikern da arg schwerfallen. Ein Kompromiss noch schwerer. Dennoch sind die ökonomischen Argumente dafür zwingend.

Freie Arbeitsmobilität schafft Jobs, stärkt den Handel und den Austausch von Dienstleistungen.

Klaus Zimmermann ist Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA). Er berät unter anderem die Weltbank und die EU-Kommission in Fragen der Beschäftigungs- und Migrationspolitik.


Reprinted with permission.

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