Wäre eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sinnvoll? Pro: Effektives Mittel

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November 18, 2002, Handelsblatt

(Gastbeitrag Klaus F. Zimmermann)
 

Deutschland steckt in einer besonders schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage. Der strikt konservative Konsolidierungskurs der letzten Jahre erweist sich jetzt als wenig hilfreich, da in eine konjunkturelle Krise hineingespart wurde. So stellen sich nämlich die positiven Wachstumsimpulse der Zurückführung der öffentlichen Defizite erst langfristig ein, wenn sich die Verbesserungen der Kreditaufnahmemöglichkeiten für die private Wirtschaft in zunehmenden privaten Investitionen realisiert haben. Davon ist leider nichts in Sicht, es bleibt zunächst bei der dämpfenden Wirkung des Sparkurses.

Durch die schwache weltweite Konjunktur und durch Anpassungsprozesse an die letzte Steuerreform sind große Einnahmenausfälle entstanden. Letzte Woche haben aktuelle Steuerschätzungen die volle Tragweite der Defizite bestätigt. Gleichzeitig schloss sich der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten der bereits seit längerem vorliegenden, auch mittelfristig pessimistischen Konjunktureinschätzung des DIW Berlins an. Auch 2003 wird das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts kaum mehr als 1 Prozent betragen - deutlich weniger als zum Abbau der Arbeitslosigkeit nötig.

Darüber hinaus ist die Bundesregierung verpflichtet, den Stabilitätspakt zumindest mittelfristig einzuhalten. Trotz aller Lippenbekenntnisse wird es selbst für den von 2004 auf 2006 verlängerten Zeitraum zunehmend schwieriger, eine solche Entwicklung überzeugend zu begründen. Die Europäische Kommission hat nun, wie längst erwartet, das Überprüfungsverfahren der Finanzpolitik der Bundesrepublik Deutschland eröffnet und prognostiziert deutliche Zielverfehlungen nicht nur für 2002, sondern auch für das kommende Jahr. Strafzahlungen von erheblicher Größenordnung sind zumindest jetzt noch nicht auszuschließen.

Die Regierung muss ferner an der Senkung der direkten Steuern im Rahmen der beschlossenen Steuerreform festhalten, schafft doch auch dies einen Wachstumsimpuls durch Leistungsanreize und Nachfrageeffekte im Konsum und bei den Investitionen. Generell ist eine stärkere Strukturveränderung bei den Steuern weg von den direkten, hin zu den indirekten Steuern sinnvoll.

Massive Sparpläne wären erforderlich, falls die Bedingungen des Maastricht-Vertrages und die Steuerreform angesichts der Haushaltslage wirklich gleichzeitig erreicht werden sollten. Die derzeitigen Versuche, Ausgaben zu kürzen und Steuervergünstigungen abzuschaffen, werden nicht annähernd ausreichen. Dann unterbleiben am ehesten die öffentlichen Investitionen, die schon seit längerer Zeit im bedenklichen Umfang zurückfallen. Es fehlt ferner dringend an zusätzlichen Ausgaben für Bildung und Forschung und dem Ausbau von Ganztagesschulen zur besseren Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt. Auch dies führt langfristig zu Wachstumsverlusten.

In dieser Gemengelage muss die Regierung den Gordischen Knoten durchschlagen und ihre Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit wiederherstellen. Dafür wäre eine deutliche Mehrwertsteuererhöhung ein effektives Mittel. Sie ist rasch umzusetzen, begünstigt alle Gebietskörperschaften, setzt erhebliche Mittelzuflüsse frei und trifft alle Schichten der Bevölkerung. Dabei sind insbesondere auch die Rentner betroffen, die sonst nicht genügend in die Solidarität genommen würden. Europaweit liegen wir mit den Steuersätzen im hinteren Feld, so dass sich eine Erhöhung auch aufgrund von Harmonisierungsgesichtspunkten rechtfertigen lässt. Ein Ersatz der direkten durch indirekte Steuern begünstigt die Humankapital- und Ersparnisbildung. Die Steuereinnahmen vermeiden andernfalls nötige Kürzungen, stabilisieren also die Konjunktur. Die Regierung sollte deshalb rasch die entsprechenden Beschlüsse fassen.


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