Hat Arbeit Zukunft?

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May 2002, Pro Polis 21

(Gastbeitrag Klaus F. Zimmermann)
 

Millionen Arbeitslosen wurde das Bild einer nur scheinbar in der Vermittlung erfolgreichen oder an der falschen Darstellung der eigenen Statistik interessierten Mammutbehörde vor Augen geführt.

Wenn es noch eines Hinweises auf die mögliche Berechtigung vieler Klagen über unbefriedigende Serviceangebote der Bundesanstalt für Arbeit bedurft hätte - hier wäre er zu finden gewesen. Das Vertrauen in die Qualität der Vermittlungsbemühungen der Arbeitsämter und damit ihrer gesamten Tätigkeit ist nachhaltig erschüttert worden. Der Ansehensverlust kann auch durch den nun bekundeten Reformwillen nicht postwendend einfach wieder hergestellt werden. Es ist längst ein offenes Geheimnis, daß die Bundesanstalt bislang mehr mit der Verwaltung des Schicksals Arbeitslosigkeit beschäftigt war und sachfremde Aufgaben um sich geschart hat, statt konsequente, auf den Einzelfall abgestellte Vermittlungsanstrengungen zu unternehmen und in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft neue Beschäftigungschancen zu erschließen.

Dabei kann man die jetzt beschlossenen Reformen bei der staatlichen Arbeitsvermittlung auf den ersten Blick durchaus mutig nennen. So soll die Erlaubnispflicht für private Vermittler fortan entfallen und dem Arbeitslosen nach drei Monaten erfolgloser Bemühungen staatlicher Stellen diese Alternative künftig offen stehen. Prämien von bis zu 2.500 Euro sollen an Private gezahlt werden, wenn ihnen die Vermittlung gelingt. Das klingt gut, doch wird dabei keinerlei Bezug auf besondere, vermittlungshemmende Charakteristika des Arbeitslosen genommen, sondern allein auf die Dauer der Arbeitslosigkeit abgestellt. Konsequenter wäre es gewesen, zumindest für offenkundig schwer vermittelbare Arbeitslose gar nicht erst eine "Karenzzeit" von drei Monaten vorzusehen und im Zuge einer Prämienregelung auch finanzielle Erfolgsanreize für die Vermittler vom Arbeitsamt zu schaffen. Im übrigen wäre dies auch die Gelegenheit gewesen, mit einer moderaten Eigenbeteiligung der Arbeitslosen im Falle sofortiger Inanspruchnahme privater Vermittlungsdienste zusätzliche Verhaltensanreize zu setzen. Die ausgesetzten Erfolgsprämien für die Privaten dürften jedenfalls viel zu gering sein, um überhaupt eine Kostendeckung bei den Privaten zu erreichen. Zwar soll ihnen die Möglichkeit gegeben werden, solchen Arbeitslosen, die sich sofort und nicht erst nach drei Monaten an sie wenden, im Vermittlungsfall bis zu 1.500 Euro in Rechnung zu stellen. Doch ob die in Aussicht gestellte Belebung des Vermittlungswettbewerbs vor diesem Hintergrund tatsächlich eintreten wird, bleibt zunächst abzuwarten. Jedenfalls sollte bei den Gebühren unbürokratisch nachgebessert werden. Von der Ablösung des bisherigen Präsidiums der Bundesanstalt durch einen dreiköpfigen, befristet amtierenden Vorstand darf man sich gewiss nicht zu viel erwarten, zumal die Konstruktion eines paritätisch mit Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Gebietskörperschaften besetzten Verwaltungsrates beibehalten werden soll. Just diesem "Bündnis für Arbeit" gebührt eine Mitverantwortung für die entstandene Misere. Auch der Umstand, daß die unbequemen ersten Akzente des neuen Vorstandsvorsitzenden auf postwendenden Protest seitens des aufsichtführenden Ministeriums und anderer Betroffener gestoßen sind, läßt Skepsis allemal berechtigt erscheinen. Allerdings sollte sich die neue Leitung der Bundesanstalt für Arbeit nicht zu einer politischen Gegeninstanz zum Arbeitsministerium entwickeln. Dies könnte dem Reformprozess trotz allem frischen Wind in der Sache schaden.

Das Fehlen einer kraftvollen, visionären Arbeitsmarktpolitik läßt sich auch durch den nun bekundeten Reformeifer in Bezug auf die Bundesanstalt für Arbeit nicht verbergen. Das ist fatal, denn auch internationale Investitionsentscheidungen orientieren sich an der durch die Arbeitsmarktpolitik signalisierte strukturelle Reformbereitschaft. Ein besonderes Augenmerk sollte die nun zu neuen Ufern strebende Bundesanstalt der Neuorganisation der statistischen Erhebungen widmen. Hier sollte eine Anpassung der Erfassung von Arbeitslosigkeit nach international vergleichbaren Standards vorgenommen werden. Insofern ist dem Bundesarbeitsminister durchaus zuzustimmen, wenn er eine Modifizierung der amtlichen Statistik in Aussicht stellt. Gespannt wartet die Wirtschaftswissenschaft auch darauf, ob nun endlich ein befriedigender externer Datenzugang für die Arbeitsmarktforschung an den Universitäten und den unabhängigen Forschungsinstituten ermöglicht wird. Denn bislang ist dadurch die Evaluation staatlicher Arbeitsmarktprogramme wesentlich erschwert.

Die Arbeitsmarktpolitik und letztlich jeder einzelne Arbeitslose kann nur davon profitieren, wenn der Erfolg oder Mißerfolg einer Maßnahme offengelegt wird. In diesem Zusammenhang müßte auch das der Bundesanstalt angegliederte Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in seiner Forschungskapazität und Unabhängigkeit gestärkt werden. Es sollte aber nicht mehr die Hauptlast der Evaluation von Arbeitsmarktprogrammen tragen, die grundsätzlich im Wettbewerb öffentlich ausgeschrieben werden müßten. Erst eine konsequente Begleitforschung gibt Aufschluß über die Wirksamkeit von Arbeitsmarktpolitik und kann wertvolle Informationen für ihre effektivere Ausgestaltung liefern. In anderen Ländern hat man dies längst erkannt. Die Dienstleistungsagenturen des neuen Arbeitsamtes sollten sich kundenorientiert in den drei Sparten engagieren, auf die sich auch die Arbeitslosen im wesentlichen aufteilen: Die erste Gruppe bilden die weitgehend unkomplizierten Fälle von jungen und gut ausgebildeten Arbeitslosen. Sie benötigen eine reine Versicherungsleistung und finden meist allein einen neuen Job. Die zweite Sparte des Arbeitsamtes sollte gezielt auf die bekannten Risikogruppen abstellen: Menschen ohne Ausbildung, älter als 50 oder mit gesundheitlichen Einschränkungen. Sie müssen frühzeitig betreut werden, am besten schon bei der Kündigung, spätestens beim Eintritt in die Arbeitslosigkeit. Die Betreuer benötigen hier besondere Kundennähe zu Firmen und Arbeitslosen. Hier sollte auch das Instrument der Eingliederungszuschüsse genutzt werden. So kann einer Verfestigung der Arbeitslosigkeit entgegengewirkt werden.

Die dritte Gruppe umfaßt Dauerarbeitslose bzw. Menschen in der zusammenzufassenden Sozial- und Arbeitslosenhilfe. Hier handelt es sich nicht um Versicherungsleistungen, sondern vom bisher vom Bund und den Gemeinden gewährte Unterstützungsleistungen aus Steuermitteln. Für Arbeitsfähige sollten diese Leistungen nur noch in Verbindung mit der Aufnahme einer Beschäftigung gewährt werden, die von der Agentur angeboten wird. Deshalb macht es Sinn, die Kommunen von ihren Aufgaben in diesem Zusammenhang zu entlasten.


Reprinted with permission.

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