In zwei Schritten auf 20 Prozent

Logo
October 30, 2005, Der Tagesspiegel

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann)
 

Deutschland benötigt gewaltige Reformanstrengungen, um sich wieder als Lokomotive des Wohlstandes in Europa in Szene zu setzen. Das Stichwort lautet dabei Strukturmaßnahmen, die wegen politischer Blockaden und falscher Rücksichten auf konjunkturelle Effekte immer wieder aufgeschoben wurden. Das Wachstum von derzeit einem Prozent reicht, um die entscheidende Phase der Wirtschaftspolitik dieses Jahrzehnts einzuleiten.

Bund, Länder und Kommunen brauchen wieder Handlungsspielräume, um Wachstumsimpulse der privaten Wirtschaft langfristig nachhaltig zu unterstützen. Dazu müssen die Strukturdefizite der öffentlichen Haushalte umgehend korrigiert werden. Andernfalls drohen Strafzahlungen wegen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Das ist keine Willkür, sondern soll die private Wirtschaft langfristig wieder atmen lassen. Es muss massiv gespart werden, zuerst bei den Subventionen und dann bei den Personalausgaben. Das wird allerdings nicht ausreichen um zu vermeiden, dass bedenklich bei der öffentlichen Infrastruktur und bei Bildung und Forschung gespart wird.

Eine Mehrwertsteuererhöhung kann nicht primär zum Stopfen von Haushaltslöchern genutzt werden. Sie muss für Zukunftsaufgaben eingesetzt werden, nämlich für die Förderung von Forschung, Humankapital und Infrastruktur und zur Umfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme, um so Verteilungsgerechtigkeit sicherzustellen. Es ist gerecht, dabei die Lohnnebenkosten insbesondere für Geringqualifizierte zu senken und die niedrigen Mehrwertsteuersätze für Produkte und Dienstleistungen konstant zu halten. Denn diese werden vor allem von Menschen mit geringem Einkommen konsumiert und von Geringqualifizierten produziert. Dies stärkt die soziale Symmetrie.

Deutschland hat im internationalen Vergleich noch niedrige Sätze. Die Mehrwertsteuer sollte deshalb in zwei Schritten zunächst auf 18 und dann auf 20 Prozent erhöht werden. Konjunkturelle Aspekte können ignoriert werden, denn über den privaten Konsum wird die deutsche Konjunktur ohnehin nicht stimuliert. Diese Steuereinnahmen vermeiden andernfalls nötige Kürzungen oder dienen Ausgabensteigerungen, stabilisieren also die Konjunktur. Nötig ist besonders, dass mehr Beschäftigung und damit zusätzliches Einkommen für Geringqualifizierte entsteht. Dann geht es auch mit dem Konsum wieder aufwärts.

Ein Zurück zu höheren Einkommenssteuern wäre fatal. Ein Ersatz der direkten durch indirekte Besteuerung begünstigt dagegen die Humankapital- und die Ersparnisbildung. Die Mehrwertsteuer belastet auch den Konsum aus in der Schattenwirtschaft verdientem Einkommen und die Importe, schont aber die Exporte. Dies sind die strukturpolitisch richtigen Signale.


Reprinted with permission.

Back