Es gibt Anlass zum Optimismus

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January 05, 2005, Netzeitung

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann)
 

Im neuen Jahr gibt es tatsächlich Anlass zu verhaltenem Optimismus. Die Konjunktur hat 2004 den Stagnationspfad verlassen. Wie bei Aufschwüngen in Deutschland schon traditionell, sprang der Funke von einer stark prosperierenden Weltwirtschaft getragen von einer sehr kräftigen Exportentwicklung endlich auf die deutsche Wirtschaft über. So liegt das reale Wirtschaftswachstum 2004 bei 1,8 Prozent.

In diesem Jahr sind die Voraussetzungen für einen weiteren stetigen Expansionspfad ermutigend, da positive interne Faktoren mit den wesentlich günstiger gewordenen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusammenfallen. Das DIW Berlin erwartet deshalb in Gesamtdeutschland für 2005 ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent und im Folgejahr 2006 von zwei Prozent. Verglichen mit den drei mageren Jahren 2001 bis 2003 stellt dies eine signifikante Verbesserung dar. Allerdings bleibt Ostdeutschland mit 1,2 Prozent in 2004, 1,4 Prozent in 2005 und 1,5 Prozent in 2006 wieder einmal deutlich hinter der westdeutschen Entwicklung zurück.

Arbeitsmarkt wird noch nicht erfasst

Aus rein konjunktureller Sicht wird der Arbeitsmarkt von diesem neuen Schwung noch nicht richtig erfasst. So steigt die Zahl der Erwerbstätigen von nur 38,4 Millionen im Jahre 2004 auf 38,6 Millionen im Jahre 2005 und 38,9 Millionen im Jahre 2006.

Makroökonomisch gesehen sinkt die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt nicht erheblich; erst 2006 ist mit einem Rückgang um knapp 400.000 Arbeitslose zum Jahre 2005 zu rechnen. Dabei sind mögliche durchschlagende Erfolge der Arbeitsmarktreformen wegen ihres mikroökonomischen Charakters in der konjunkturellen Dynamik nicht abschließend zu bewerten und noch nicht eingerechnet.

Warum bleibt das DIW Berlin im Gegensatz zu anderen Prognostikern und im Einklang mit vielen Analysen aus der Wirtschaft optimistisch? Der Boom in der Weltwirtschaft lässt zwar nach, aber es ist ein Nachlassen auf sehr hohem Niveau. Das gilt für die Vereinigten Staaten, besonders aber für Asien und Osteuropa. Wir rechnen weder mit dauerhaften Gefahren durch einen hohen Ölpreis, noch durch einen schwachen Dollarkurs. Hinzu kommt, dass sich die Konjunktur in Europa, in den Ländern mit denen wir die intensivsten Wirtschaftsaustausche haben, weiter verfestigen wird. Das wird unsere Exportposition weiter günstig halten.

Entscheidend für den weiteren Fortgang der Konjunktur ist deshalb die Herausbildung eines selbsttragenden Aufschwungs, der durch binnenwirtschaftliche Auftriebskräfte entstehen muss. Wegen der massiven Stabilisierungsbedarfe der öffentlichen Haushalte kann die notwendige Belebung der deutschen Binnenkonjunktur nur durch private Investitionen und den privaten Konsum erfolgen. Zum traditionellen Konjunkturverlauf in Deutschland gehört, dass dies zunächst einmal durch eine gesteigerte Investitionstätigkeit geschieht.

Deutschland holt jetzt auf

Bei den Investitionen, weit mehr als beim privaten Konsum, lagen wir im abgelaufenen Jahr 2004 im Vergleich mit den Vereinigten Staaten entscheidend zurück. Unser privater Konsum sank zwar um 0,3 Prozent im Gegensatz zu den beachtlichen 3,7 Prozent Konsumwachstum in den Vereinigten Staaten. Aber die Differenz beim Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen war viel erheblicher. Auch die deutschen Investitionen schrumpften 2004 um 0,3 Prozent, in den Vereinigten Staaten gab es dagegen ein Wachstum von 9,2 Prozent!

Aber Deutschland holt jetzt auf: Wir erwarten einen Anstieg der Bruttoanlageinvestitionen von zwei Prozent in 2005 und von 3.2 Prozent in 2006. Dies ist deshalb möglich, weil die Ausrüstungsinvestitionen 2005 um 6,4 Prozent und 2006 um 5 Prozent zunehmen werden. Der längere Verzicht auf nötige Ersatzinvestitionen, die Belebung der weltwirtschaftlichen Nachfrage und das wachsende Vertrauen in den Reformkurs der Politik macht eine solche positive Entwicklung möglich.

Der Politik ist deshalb zu raten, am eingeschlagenen Erfolgskurs festzuhalten. Die Finanzpolitik konsolidiert vorsichtig und unter der Hinnahme konjunkturbedingter Defizite, ohne durch neue Sparprogramme den Aufschwung abzuwürgen. Die wirtschaftspolitischen Reformen werden konsequent umgesetzt und sollten weiter intensiviert werden.

Auf europäischer Ebene hat die Europäische Zentralbank angesichts eines in den nächsten Jahren eher geringen Preisauftriebes konjunkturellen Gestaltungsspielraum. Es ist ferner zu begrüßen, dass die Europäische Kommission den Stabilitäts- und Wachstumspakt in diesem Jahr mit Reformen glaubwürdig machen wird. Dabei wird besonders eine größere konjunkturelle Flexibilität ins Spiel kommen. Die Lohnpolitik schließlich sollte ihren zurückhaltenden Kurs der letzen Jahre mit einer stetigen Orientierung an der mittelfristigen Produktivitätsentwicklung fortsetzen.

Weitere Reformen gefordert

Deutschland ist jetzt in gemäßigtem makroökonomischen Fahrwasser. Das ist gut so, weil dies eine Voraussetzung für eine stetige und solide Fortsetzung des Umbaus unserer Volkswirtschaft darstellt. Jeder international ausgebildete Makroökonom von Format weiß aber heute, dass wirtschaftliche Erfolge ohne die richtigen Anreizsysteme und ohne ein effizient organisiertes Wirtschafts- und Sozialsystem unmöglich sind. Die erfordern weiter kräftige Reformen bei der Organisation des Föderalismus, im Gesundheits- und Rentensystem, in Bildung und Forschung und eine Verstärkung des Wettbewerbs.

Die nächsten kräftigen Schritte in dieser Richtung stärken auch das Vertrauen der Wirtschaft in den Standort Deutschlands und kräftigen die Investitionsbereitschaft der Unternehmer, die jetzt für einen anhaltenden Aufschwung so nötig ist. So werden wir auch signifikante Erfolge am Arbeitsmarkt erhalten und uns in den nächsten zehn Jahren wieder unseren angestammten Platz als führende Wirtschaftsnation Europas zurückerobern.


Reprinted with permission.

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