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Eine ältere Frau ruft an. Sie beklagt sich:
Beim Besuch ihrer Verwandten in Pirmasens
sei ihr aufgefallen, wie die altbekannte
Schuh-Stadt durch den Rückzug der Schuhindustrie
gelitten hat. Die Schuhe würden
jetzt in Asien hergestellt. Das sei doch
schlimm. Gibt es ein breites Unverständnis
in der Bevölkerung gegenüber neuen Techniken
und neuen wirtschaftlichen Entwicklungen,
die damit zusammen hängen?
Schneider: Natürlich. Dieser Unwille ist so
alt wie die Menschheit. Technischen Fortschritt
hat es immer gegeben. Menschen
sind ständig auf der Suche nach Möglichkeiten,
sich von dem schweren Los der Arbeit
zu befreien und sind dabei sehr erfinderisch.
Andere sehen sich dadurch bedroht,
fürchten, die Einkommensgrundlage
zu verlieren und hätten gerne, dass es bleibt
wie früher.
Solche Konflikte sind nicht immer friedlich
abgegangen...
Fahren Sie mal an die Ahrmündung. Dort
steht das Böllerdenkmal. Die sogenannten
Rheinhalfen haben im 19. Jahrhundert einen
richtigen Krieg gegen die Haniels und
Stinnes und ihre Dampfschiffe geführt, die
ihnen die Arbeit wegzunehmen drohten.
Aber in solchen Situationen taucht oft eine
verschobene Wahrnehmung auf. Wir sehen,
dass Dinge, die lange Bestand hatten, von
einem auf den anderen Tag verschwinden.
Das ist immer spektakulär. Wir sehen nicht,
was an dessen Stelle tritt, weil es sich oft in
kleinen Schritten vollzieht. Dabei können
wir sicher sein: Auch wenn immer alte
Techniken und damit alte Berufe spektakulär
verschwinden, hat das unter dem Strich
bis heute nicht dazu geführt, dass den Menschen
die Arbeit ausgegangen ist. Im Gegenteil.
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