Die verkannte Fluchtursache: Entwicklungshilfe

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17. Mai 2018, WELT

(Mit Bezug zu IZA Policy Paper No. 136: Deterring Emigration with Foreign Aid: An Overview of Evidence from Low-Income Countries)
 

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Dass man "die Fluchtursachen beseitigen" müsse, gehört zu den populärsten Gewissheiten nationaler und internationaler Politik. Krisenprävention und die Hoffnung auf Konfliktbewältigung etwa in Syrien und im Irak gehören zu diesem Konzept. Aber das Hauptaugenmerk liegt auf wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit jenen Staaten im Nahen Osten und in Afrika, aus denen Millionen Menschen in Richtung Europa drängen. "Wenn es in Afrika zu viel Hoffnungslosigkeit gibt, gibt es natürlich junge Menschen, die sagen, wir müssen uns woanders auf der Welt ein Leben suchen", sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die große Koalition verspricht: "Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge." In den Wahlprogrammen von AfD, FDP, Linker und Grünen finden sich ähnliche Formulierungen, die im Übrigen geteilt werden vom österreichischen Kanzler Sebastian Kurz, der britischen Entwicklungsministerin Priti Patel, der EU-Kommission und dem US-Außenministerium. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warnt denn auch: "Wenn wir die Entwicklungshilfe kürzen, werden wir hier sehr bald viel mehr Flüchtlinge haben." Wissenschaftler allerdings kommen zu einer gegenteiligen Erkenntnis. "Typischerweise führt Entwicklungshilfe zu einem Anstieg der Migration", sagt der US-Wirtschaftswissenschaftler Michael A. Clemens, Autor einer aktuellen Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), im Gespräch mit WELT. Clemens, der beim Center for Global Development in Washington arbeitet, schreibt in seinem 27- seitigen Papier über "Deterring Emigration with Foreign Aid: An Overview of Evidence from Low-Income Countries" ("Mit Entwicklungshilfe von Auswanderung abschrecken: Eine Übersicht über Befunde aus Niedriglohnländern"), Hilfe durch Entwicklungszusammenarbeit könne "wirtschaftliches Wachstum, Beschäftigung und Sicherheit nur bis zu einer bestimmten Grenze stärken". Bislang habe "eine erfolgreiche Entwicklung in fast allen zuvor armen Ländern zu einer steigenden Auswanderung geführt". Wirtschaftliche Entwicklung führe auch zur Steigerung der Zahl von Asylsuchenden aus den entsprechenden Ländern.

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Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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