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Dass Arbeit und Privatleben ineinandergreifen,
ist kein neues Phänomen. Für den Geschäftsmann
war seine Firma immer ein
Teil des Privaten, der Handwerker hatte
seine Werkstatt früher im Haus, auch für
den Landwirt gibt es keine klare Trennung.
"Für diesen Kreis der Erwerbstätigen war
das Verschwimmen der Grenzen von Arbeit
und Privatem normal. Doch dieser Kreis
schrumpft. Die Selbstständigenquote ist in
den vergangenen Jahren durchaus markant
gesunken", sagt Hilmar Schneider, Vorsitzender
der Geschäftsleitung des Institute
of Labour Economics (IZA). Gleichzeitig
gewinne ein anderer Trend an Bedeutung:
"Seit den 80er-Jahren beobachten wir das
Phänomen des ,Arbeitskraftsunternehmers‘",
so Schneider. Der Begriff beschreibt
eine Veränderung in der Rolle des Arbeitnehmers,
der sich in einem Angestelltenverhältnis
vom Aufgabenprofil her einem
Selbstständigen nähert.
Die Digitalisierung leistet zudem ihren Beitrag
dazu, dass die Entgrenzung von Arbeits-
und Berufsleben als stärker wahrgenommen
wird als früher, sagen sowohl
Stettes als auch Schneider. "Die Digitalisierung
schürt Ängste. Die Politik versucht,
mit einer Änderung des Arbeitszeitgesetzes
gegenzusteuern, sie stochert aber im Nebel",
so Schneider. Ein Grund ist für den
Experten die Definition von Arbeitszeit.
"Wir operieren mit einem Rechtsbegriff,
der auf das, was die Menschen heute faktisch
tun, nicht mehr passt." Unter diesen
Voraussetzungen ein Arbeitszeitgesetz zu
formulieren sei von vornherein zum Scheitern
verurteilt. Stattdessen sind für Schneider
andere Maßnahmen zielführender, um Arbeitnehmer
vor Überforderung und Überarbeitung
zu schützen. Dazu zählt ein Gesundheitsbeauftragter
im Unternehmen.
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