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In den vierteljährlich vom Archiv dieser
Zeitung erstellten Tabellen spiegelt sich die
hohe Nachfrage nach IT, die wachsende Bedeutung
von Beratungsunternehmen und
jene von Personaldienstleistern, die Personal
zeitweise überlassen, wider. Andererseits
ist zu erkennen, dass es in den traditionellen
Bereichen einen Abbau gibt: bei klassischen
Banken oder bei der Bahn. Ob am
Ende dieser digitalen Revolution mehr oder
weniger Arbeitsplätze stehen, weiß heute
niemand und ist heiß umstritten. Für Holger
Bonin, Chefkoordinator Arbeitsmarktpolitische
Forschung am Institut zur Zukunft
der Arbeit ITZA in Bonn, werden nicht
ganze Berufe wegfallen, sondern eher einzelne
Tätigkeiten dieser Berufe. Betroffen
sind nach seiner Ansicht auch nicht in erster
Linie die einfachen Arbeiten.
Manuelle Tätigkeiten wie die des Kellners
werde es auch in Zukunft geben, sagte Bonin
auf dem 70. Deutschen Betriebswirtschafter-
Tag der Schmalenbach-Gesellschaft in
Düsseldorf. Gefährdet sei die Mitte. Das sei
aber kein neues Phänomen. Wie groß die
Gefährdung ist, blieb auf der Tagung umstritten.
Bonin zitierte Untersuchungen, wonach
bis zu 47 Prozent der heutigen Stellen
gefährdet sind. Uschi Backes-Gellner von
der Universität Zürich machte aber darauf
aufmerksam, dass diese Untersuchungen
meist aus den Vereinigten Staaten stammten
und den dortigen spezifischen Verhältnissen
geschuldet seien. In Amerika gebe
es mangels einer berufliche Ausbildung
viele angelernte Kräfte, deren Stellen in der
Tat stark gefährdet seien. In Deutschland
mit seiner auch im internationalen Maßstab
führenden Berufsausbildung seien weit weniger
Arbeitsplätze durch die Digitalisierung
oder die Roboter gefährdet, weil die
Menschen eine bessere Ausbildung hätten
und damit auch eine bessere Voraussetzung
zur lebenslangen Weiterbildung. "Europa
ist für die digitale Transformation gut aufgestellt",
glaubt Backes-Gellner und fand darin auch die Zustimmung Bonins. Zudem
würde oft unterschätzt, dass neue Techniken
über preiswertere Produkte auch wieder
zu steigender Nachfrage und damit zu mehr
Arbeitsplätzen führe. Das Fazit der Veranstaltung
war, dass die digitale Vernetzung
nicht das Ende der Arbeit darstelle, sie aber
verändere - hin zu höheren Anforderungen
und zu einem lebenslangen Lernen und einer
Bereitschaft zur Veränderung.
Eine weitere Veränderung auf dem Arbeitsmarkt
könne sich aber aus einem höheren
Anteil von Zeitarbeitskräften ergeben, eben
dem Wunsch vieler Experten, als Quasi-
Selbständige immer nur für zeitlich befristete
Projekte eingestellt zu werden. "Dieses
Crowdworking zerstört das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-
Verhältnis, was nicht alle wollen",
sagte Bonin. Für Dieter Kempf, den
ehemaligen Vorsitzenden des Vorstandes
der Datev eG, wird Crowdworking - die Suche
befristeter Stellen über Internetplattformen
- daher auch nur ein begrenztes Phänomen
für kleine, hochspezialisierte Menschen
bleiben. In Deutschland liegt die
Zahl der Crowdworker bei weniger als einem
Prozent der abhängig Beschäftigten, in
den Vereinigten Staaten allerdings bei 3 bis
5 Prozent.
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