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Professor Schneider, 1000 Euro monatlich
für jeden und alle anderen Sozialausgaben
fallen weg. Hört sich das nicht gut an?
Wenn wir uns das leisten könnten, spräche
gar nichts dagegen. Das können wir aber
leider nicht, denn der Finanzierungsbedarf
wäre gigantisch. Der ehemalige thüringische
Ministerpräsident Dieter Althaus hat
ja seinerzeit ein solidarisches Bürgergeld
von 600 Euro netto vorgeschlagen. Wir haben
damals mal ausgerechnet, was das bedeuten
würde. Schon die Umsetzung dieses
Vorschlags hätte Mehrkosten von 200 Milliarden
Euro nach sich gezogen - positive Anreize
auf die Arbeitsaufnahme und weitere
Steuereinnahmen schon eingerechnet.
Mal angenommen, es ließe sich finanzieren.
Was wären die Folgen?
Die Risiken, die damit verbunden sind,
sind gewaltig. Zum einen würde das einen
beachtlichen Zuwanderungsdruck erzeugen.
Zum anderen hätte das Grundeinkommen
Preiseffekte zur Folge, die vorher kaum abschätzbar
sind. Leute, die aufgrund ihrer
Qualifikation heute keine andere Wahl haben,
als beispielsweise Klos zu putzen,
könnten bei einem bedingungslosen Grundeinkommen
viel wählerischer sein. Den
Kloputzer-Job wird dann nur noch jemand
machen, wenn es entweder richtig Spaß
macht oder das Lohnniveau entsprechend
steigt und damit der Preis für solche Leistungen.
Solche Effekte konnten wir in unseren
Simulationen aufgrund fehlender Informationen
gar nicht berücksichtigen. Aber
es ist davon auszugehen, dass massive Auswirkungen
auf dem Arbeitsmarkt auftreten.
Welche wären das?
Entweder wandern unbeliebte Jobs komplett
in die Schwarzarbeit oder die Unternehmen
müssen höhere Löhne zahlen. Im
oberen Einkommenssegment wird das so
gut wie keine Auswirkungen haben, im unteren
aber zwangsläufig, weil niemand
mehr gezwungen ist, aus Existenzgründen
einen Job anzunehmen, den sonst keiner machen
will. Jeder könnte sich den Tätigkeiten
widmen, die er gerne macht. Man kann
dann auch davon leben, dass man Bilder
malt. Schön und gut. Aber wenn sich die höheren
Löhne für einfache Jobs am Markt
nicht durchsetzen lassen, führt das zwangsläufig
zu volkswirtschaftlichen Effizienzverlusten
und damit Wohlstandsrückgang.
Statt ihre Zeit in vollem Umfang den Dingen
zu widmen, die sie gut können, werden
viele Menschen gezwungen sein, einen Teil
dieser Zeit mit Hausarbeit und Dingen zu
verbringen, die sie heute von anderen erledigen
lassen. Diese ganzen Risiken werden
übrigens verhindern, dass das bedingungslose
Grundeinkommen jemals eingeführt
wird.
Die Schweizer stimmen bald über das Grundeinkommen
ab. Ausgeschlossen ist es also
nicht.
Es ist ja nicht verboten, so etwas zur Abstimmung
zu stellen, aber gerade weil in
der Schweiz das Volk zur Abstimmung aufgerufen
ist, muss es sich auch der Verantwortung
für die Konsequenzen aus seiner
Entscheidung stellen. Das führt in aller Regel
dazu, dass Optionen, die mit hohen Risiken
behaftet sind, eher abgelehnt werden.
Es gibt eine Vorstudie zum Schweizer Modell.
Derzufolge soll das Grundeinkommen finanzierbar
sein, weil es vom Einkommen abgezogen
wird. Was sagen Sie dazu?
Die Befürworter des Schweizer Modells argumentieren
hochgradig unseriös. Die Kosten
werden künstlich klein gerechnet, unter
anderem indem der Teil eines Arbeitnehmergehalts,
der in der Höhe dem BGE entspricht
zum BGE umdefiniert wird. Dass
dieser Gehaltsanteil keineswegs bedingungslos
gezahlt wird, sondern an die Erbringung
der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung
gekoppelt ist, wird schlicht ignoriert.
Das fällt für mich in die Kategorie
Volksverdummung. Deshalb hat dieser Vorstoß
keine Chance.
Über "Mein Grundeinkommen" wurden bereits
einige Grundeinkommen finanziert.
Das scheint sehr gut zu funktionieren, die
meisten Gewinner arbeiten weiterhin.
Das Projekt wurde über sogenanntes
Crowdfunding finanziert, das heißt, die Finanzierung
kam von externer Seite. Solange
Geld von außen in das System reingepumpt
wird, funktioniert es immer, aber das
ist ja nicht nachhaltig. Das System muss
auch dann funktionieren, wenn es in sich
geschlossen ist. Wer glaubt, das sei machbar,
hat alle Karten in der Hand, um die
Welt davon zu überzeugen. Er soll sich
Gleichgesinnte suchen, die sich gemeinsam
darauf verpflichten, das bedingungslose
Grundeinkommen untereinander zu praktizieren.
Wenn das funktionierte, wäre das
der überzeugendste Beweis überhaupt. Solange
der nicht existiert, müssen wir uns auf
die Mathematik verlassen, und deren Resultate
stimmen eher skeptisch.
Überzeugen Sie mich davon, dass es nicht
machbar wäre.
Das BGE beruht im Wesentlichen auf einem
Linke-Tasche-rechte-Tasche-Prinzip.
Sie bekommen Geld vom Staat, das Sie
vorher als Steuer gezahlt haben. Würde
man das Schweizer Modell auf Deutschland
übertragen, würde das einem Umverteilungsbedarf
von knapp 1,8 Billionen Euro
pro Jahr entsprechen. Zum Vergleich: Das
BIP in Deutschland betrug 2015 drei Billionen
Euro. Angesichts solcher Größenordnungen
und den angesprochenen Risiken
erübrigt sich jede weitere Debatte.
Befürworter des Grundeinkommens argumentieren,
dass es aufgrund der Technisierung
und des demografischen Wandels in Zukunft nicht mehr genug Jobs für alle geben
wird.
Das ist ein nicht totzukriegendes Argument,
auch wenn es jeder empirischen
Grundlage entbehrt. Wir sind einem Strukturwandel
ausgesetzt, aber das ist ja nicht
Neues. Das ist so alt wie die Menschheit,
aber die Arbeit als solche ist nie weniger geworden.
Schon zu Zeiten der industriellen
Revolution vor fast 200 Jahren gab es Utopisten,
die das baldige Ende der Arbeit vor
sich sahen. Die Arbeit ist aber nicht weniger
geworden, sie ist nur anders geworden.
Wie sollen wir dem aktuellen Strukturwandel
denn dann begegnen?
Wenn wir Dinge effizienter erledigen als
vorher, werden Ressourcen frei. Die können
wir dann auf Aktivitäten verwenden,
für die wir vorher gar keine Zeit hatten.
Früher waren die Menschen viel unmittelbarer
mit dem Existenzkampf beschäftigt.
Heute ist der Marktwert von intellektuellen
Tätigkeiten enorm gestiegen, weil wir die
Möglichkeit haben, uns mit Themen zu beschäftigen
die es früher einfach gar nicht
gab. Mit jeder Freisetzung von Ressourcen
sorgt die menschliche Fantasie dafür, dass
wir plötzlich Dinge machen, auf die wir
früher keinen Gedanken verschwendet haben.
Und offenbar entsteht dafür auch ein
Markt und damit wieder neue Einkommensmöglichkeiten.
Die Herausforderung besteht
nur darin, Menschen darin zu unterstützen,
in diesem Strukturwandel zu bestehen.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE JASMIN
KRSTESKI.
Prof. Hilmar Schneider ist Direktor für
Arbeitsmarktpolitik am Bonner Institut
zur Zukunft der Arbeit.
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