Das Leben als Quiz

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10. April 2014, Handelsblatt

(Gastbeitrag von Alexander Spermann)

Alexander Spermann hält Weiterbildung heutzutage für die beste Arbeitsmarktpolitik.
 

Die Einschaltquoten von Quizshows sind beeindruckend. Deutschland scheint ein Volk der Ratefüchse zu sein. Eine Million Euro lässt sich durch richtige Antworten auf Quizfragen verdienen, sogar der Titel des klügsten Deutschen ist erwerbbar. Wieso nützen wir diese Quiz-Begeisterung nicht fürs lebenslange Lernen?

Die Ausgangssituation ist günstig: Deutschlands Jugendliche und Erwachsene sind überdurchschnittlich kompetent, wie die im letzten Jahr von der OECD vorgelegten internationalen Kompetenzvergleiche für Jugendliche (PISA) und Erwachsene (PIAAC) belegen. Die OECDKompetenzvergleiche beziehen sich jedoch fast ausschließlich auf leicht messbare Hard Skills im Bereich Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt ist es unstrittig, dass diese Kompetenzen für den beruflichen Erfolg von Menschen eine notwendige Bedingung darstellen. Doch neuere Erkenntnisse der Arbeitsmarktökonomik und Psychologie belegen, dass kognitive Fähigkeiten keine hinreichende Bedingung für den Arbeitsmarkterfolg sind.

IQ-Tests, Ausbildungsabschlüsse und kognitive Kompetenztests greifen zu kurz, um Erfolge am Arbeitsmarkt vorherzusagen: Kognitive Kompetenztests können nach Schätzungen lediglich 15 Prozent des künftigen beruflichen Erfolgs erklären. Stattdessen sind nicht kognitive Kompetenzen wie Durchhaltevermögen und Motivation entscheidend für den Erfolg am Arbeitsmarkt.

Dabei gibt es viele gute Nachrichten: Wir wissen, dass Hard Skills und Soft Skills bis ins hohe Alter veränderbar sind, und es stehen neue Technologien zur Verfügung, die zeit- und ortsungebundenes Lernen mit Spaß ermöglichen. Damit eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten für die Weiterbildung. Dazu ist jedoch eine Verknüpfung mit Berufsabschlüssen unabdingbar.

Der demografische Wandel in Deutschland ist unumkehrbar. Wohlstand hierzulande kann nur gesichert werden, wenn heute die richtigen Weichen gestellt werden. Damit das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf - der zentrale Wohlstandsindikator - in einer alternden Gesellschaft nicht sinkt, gilt es, alle verfügbaren personellen Ressourcen in Deutschland zu aktivieren.

Die Beschäftigungsquoten und -dauern sowie das Arbeitsvolumen können jedoch nur dann gesteigert werden, wenn angesichts der Dynamik und des Innovationstempos lebenslanges Lernen integrierter Teil einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik wird. Dies gilt für Junge wie Alte gleichermaßen und betrifft letztlich alle Gruppen, die an unserem Beschäftigungssystem teilnehmen sollen und wollen.

Innovative Onlineportale für Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften in Kombination mit Credit-Points für Weiterbildungsaktivitäten könnten den Erwerb von Hard und Soft Skills sichtbar machen. Die Vision: Im Rahmen der Demografiestrategie der Bundesregierung werden Onlineportale für Jung und Alt aufgebaut - Kompetenzen könnten weitgehend durch Quizfragen überprüft werden. Entscheidend ist jedoch, dass richtige Antworten im Bereich Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften automatisch zum Erwerb von Credit-Points und damit zu Berufsabschlüssen führen.

Der Autor ist Direktor Arbeitsmarktpolitik Deutschland beim Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn: gastautor@handelsblatt.com


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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