Reform der geringfügigen Beschäftigung könnte 60.000 in Vollzeitbeschäftigung bringen
VON BERNHARD HÄNEL Gütersloh.
Reformen bei den Minijobs sowie der Einkommenssteuer
könnten einer Studie der Bertelsmann-
Stiftung zufolge bis zu 60.000 neue Vollzeitarbeitsplätze
bringen. "Die ihnen zugeschriebene
Funktion einer Integration in den Arbeitsmarkt
haben Minijobs nicht erfüllt", sagt der Arbeitsmarktforscher
und Mitautor der Studie, Eric
Thode. Geringfügige Beschäftigung in Minijobs
stelle vornehmlich für den "substanziellen Wiedereinstieg
von Müttern ins Erwerbsleben eine
hohe Hürde da", heißt es in der 70-seitigen Expertise,
die in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut
zur Zukunft der Arbeit (IZA)
erstellt wurde. Es wurde von der Deutschen Post
AG als gemeinnütziges Wirtschaftsforschungsinstitut
gegründet und wird vom ehemaligen Postchef
Klaus Zumwinkel geleitet. Als problematisch
wird der abrupte Anstieg der Abgaben- und
Steuerlast oberhalb von 400 Euro angesehen. Zusätzlich
werde dieser "Fehlanreiz" oft gerade für
gut ausgebildete Ehefrauen noch durch die Effekte
des Ehegattensplittings bei der Einkommenssteuer
verschärft, so die Studie. Jeder Mehrverdienst
der Partnerin führe über den sinkenden
Splittingvorteil zu einem überproportionalen Anstieg
der Steuerlast. Ein kleines Jobwunder sei
möglich, wenn Minijobs ab dem ersten Euro der
Einkommenssteuerpflicht unterlägen und steigende
Beitragssätze zur Sozialversicherung aufwiesen.
Darüber hinaus müsse bei Ehepaaren
das maximal übertragbare Einkommen beim
Splitting auf 13.805 Euro, den Maximalbetrag
im Unterhaltsrecht, begrenzt werden. Freibeträge
blieben bestehen, "so dass Geringverdienerpaare
keine zusätzliche Belastung" tragen müssten.
Eine Deckelung beim Ehegattensplitting
könnte dem Staat Mehreinnahmen von neun Milliarden
Euro bringen, heißt es in der Studie. Dieser
Gewinn, so Thode, solle über eine Absenkung
des Solidaritätszuschlags "zurückerstattet"
werden. Die praktizierten Regelungen verhinderten
das Entstehen von Arbeitsplätzen im ersten
Arbeitsmarkt und "fesseln Menschen in der Geringfügigkeitsfalle
prekärer Arbeitsverhältnisse".
Die vorgeschlagene Reform reduziere die
Zahl prekärer Anstellungen zugunsten zusätzlicher
Vollzeitstellen mit besserer Daseinsvorsorge",
so Thode. Den Gewinn hätten vornehmlich
Frauen. Deren Anteil an der Zahl der Beschäftigten
mit geringfügiger Tätigkeit beträgt etwa 63
Prozent. Das Einkommen der Frauen verbessere
sich durch die Reform ebenso wie die Aufstiegschancen.
Im Gegenzug sinke die Gefahr von Altersarmut.
Nur für ein Viertel der Minijobs wäre
ein qualifizierter Berufsabschluss nötig; real haben
79 Prozent der Minijobberinnen einen Berufs-
oder sogar einen höheren Bildungsabschluss.
Aktuell plant die Bundesregierung eine
Anhebung der Minijobgrenze um 50 auf 450 Euro.
Ab dem ersten zusätzlichen Euro steige allerdings
die Steuerbelastung, so Thode. Mehr Brutto
hieße für sie weniger Netto. Dies würde abschreckend
wirken.
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