Um die Eurokrise neben den Sparanstrengungen
mit einer neuen Wirtschaftspolitik zu bekämpfen,
sollte die EU auf alte Tugenden setzen
Nach dem G-8-Gipfel berät jetzt auch die EU an
diesem Mittwoch wieder über Wege zu mehr
Wirtschaftswachstum. Damit wird das lange geschmähte
"Wachstum" wieder zum Leitbegriff.
Ohne Wachstum ist der Wohlstand der westlichen
Industriestaaten nicht zu halten, scheitert
die Beseitigung der ökonomischen Ungleichgewichte,
bleibt Vollbeschäftigung Illusion, verschärfen
sich soziale Spannungen und Verteilungskämpfe
weiter und bleibt die weltweite Bekämpfung
von Armut und Klimawandel unlösbar.
Natürlich ist es ehrenwert, statt eines "unkontrollierten
Wachstums" lieber ein "organisches",
ökologisch verträgliches Wachstum anzustreben.
Doch ein wirklich schlüssiges Konzept hierfür
haben auch die jüngsten Reformkommissionen
zur Wohlstandsmessung und Glücksforschung
nicht gefunden. Bei den Dienstleistungen gibt es keine erkennbaren Wachstumsgrenzen.
Der demografische Umbruch schafft neue
Märkte und Beschäftigungsfelder im Gesundheitssektor
und im Umfeld privater Haushalte.
Allerdings kann eine schrumpfende Bevölkerung
nur schwer wirtschaftlich wachsen. Das erfordert
neue Ansätze in der Familien- und Zuwanderungspolitik.
Neues Wachstum entsteht in Europa nur, wenn
wir statt einer fortschreitenden Deindustrialisierung
die immer noch vorhandenen Produktionsstandorte
stärken. Wenn wir nicht nur mehr in
Erfindungen, Bildung und Forschung investieren,
sondern die dadurch erzeugten Ideen und Patente
auch in Produkte umsetzen, die hier in Europa,
und dabei insbesondere in den Krisenländern,
hergestellt werden.
Die EU-Kommission will als Teil ihrer Wachstumsstrategie
bis 2020 eine Erwerbsquote von
75 Prozent erreichen. Dazu müssen knapp 18
Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.
Aber das Instrument staatlicher Konjunkturprogramme
ist gescheitert: Die staatlichen Haushalte
sind heute manövrierunfähig und Europas Arbeitslosigkeit liegt dennoch auf Rekordniveau.
Deshalb sind zu Beginn Strukturreformen nötig.
Deren wichtigste: Je flexibler die Arbeitsmärkte,
desto stärker das wirtschaftliche Wachstum.
Versuche, die Schuldenkrise durch noch mehr
Schulden zu bekämpfen, führen nur noch tiefer
in die Sackgasse. Defizite gar mit Eurobonds zu
finanzieren, was wohl Frankreichs Präsident Hollande
vorschwebt, wäre ein kräftiger Schritt in
die Griechenlandisierung Europas. Die Fehlanreize
für säumige Regierungen wären unübersehbar.
Vielmehr braucht die EU neben der Schuldenbremse
eine wie die Zentralbank unabhängige
Fiskalinstanz, die die Disziplin der Mitgliedsstaaten
kontrolliert.
Am Anfang des Euro stand bereits ein gemeinsamer
"Stabilitäts- und Wachstumspakt". Diesen
künftig in beiden Teilen gleichermaßen ernst zu
nehmen muss Richtschnur der Strategieberatungen
am 23. Mai sein.
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