Nationale und ethnische Identitäten

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07. Juli 2010, DIW Berlin: Wochenbericht

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann)
 



Im Gegensatz zum Mythos des vermeintlichen Schmelztiegels sind die USA ein Staat mit vielen Rassen, Sprachen und ethnischen Nischen. Es ist eine multi-ethnische Gesellschaft mit kraftvoller nationaler Identität. Das Land wird von Millionen illegaler Migranten überschwemmt und wirbt dennoch mit einer Lotterie um Zuwanderer. Es zieht die besten jungen Menschen der Welt zum Studium an, behält die allerbesten und baut mit den anderen weltweite Netzwerke. Trotz oder gerade wegen einer hohen ethnischen Vielfalt identifiziert sich seine Bevölkerung in hohem Maße mit dem greatest country in the world.

Zwar hat auch Deutschland einen hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Aber es fremdelt mit seiner nationalen Identität und mißtraut seinen ihm fremden Immigranten. Es sieht sein Heil trotz Bevölkerungsschrumpfung und Fachkräftemangel sowie einer hohen Welthandelsverflechtung immer noch in Abwehr und Behinderung von Zuwanderung.

Der Fußball-Wettbewerb in Südafrika zeigt uns, das sich die Spielweisen der Mannschaften stark globalisiert haben. Die Spieler der nationalen Teams kennen sich von ihren beruflichen Tätigkeiten in den Profiligen der Welt, und sie werden von Trainern unterschiedlichster Nationalitäten betreut. Dies behindert die nationale Identität der Teams nicht, auch wenn dadurch die ethnischen Differenzen in der Spielkultur zwischen den nationalen Teams verringert werden.

Die deutsche Mannschaft spielt im Urteil der Welt schnell, zielstrebig und geschmeidig den derzeit effizientesten Fußball der Welt. Sie vereint alte deutsche Tugenden wie Einsatzbereitschaft, Ordnung, Teamgeist, körperlicher Fitness und den Willen zum Sieg mit neuen Tugenden wie Spielfreude, technischer Perfektion und Kreativität. Sie ist nicht nur die wohl jüngste und möglicherweise beste deutsche Mannschaft seit langem, sondern auch die ethnisch vielfältigste. Aus diesem kulturellen Mix entsteht ein überaus attraktives Produkt, dessen sportliches und wirtschaftliches Potential sehr groß ist und das die nationale Begeisterung und Identität sichert.

Daraus lernen wir: In einer globalisierten Welt hat eine multi-ethnisch aufgestellte Gesellschaft natürliche Vorteile. Ethnische Vielfalt steht dabei nicht im Gegensatz zu einer hohen nationalen Identität. Dies gilt auch für die Wirtschaft.

Wir brauchen deshalb einen migrationspolitischen Wandel mit einer arbeitsmarktpolitisch-selektiven Zuwanderung. Der Kerngedanke muss sein: Wer einen Arbeitsplatz bekommt, soll bleiben können. Und die Integrationspotentiale bei Menschen mit Migrationshintergrund müssen weit besser genutzt werden. Bundespräsident Christian Wulff handelt gut, wenn er bei der Integrationspolitik einen Schwerpunkt seiner künftigen Arbeit sieht.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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