Die finanziellen Spielräume sind nahezu aufgebraucht

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29. Oktober 2008, DIW Berlin: Wochenbericht

(Interview mit Klaus F. Zimmermann)
 



„Für Europa wird es noch Überraschungen geben“

Herr Professor Zimmermann, die Finanzkrise ist ins Zentrum der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl gerückt. Wie schätzen Sie die Wirtschaftskompetenz der beiden Kandidaten – dem Republikaner John McCain und dem Demokraten Barack Obama – ein?
Generell gilt McCain als der Mann für die Sicherheit und für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen, während Obama der Kandidat für die Wirtschaftskompetenz ist. Obama hat von vornherein mehr kompetente Wirtschaftsberater um sich geschart und ist in Wirtschaftsfragen überzeugender aufgetreten. Insoweit scheint er im Augenblick einen Vorteil zu haben.

Welche wirtschaftspolitischen Weichenstellungen erwarten Sie?
Logischerweise sind die beiden durch ihre Parteien etwas festgelegt. Obama ist, was man im Amerikanischen liberal nennt, also eher sozialdemokratisch und McCain konservativ. Beide aber sind auch sehr pragmatisch, dass heißt, sie sind sich faktisch und praktisch viel näher, als das auf den ersten Blick aussehen mag.

In Deutschland spürt man eindeutige Präferenzen für den demokratischen Kandidaten Barack Obama. Könnte es sein, dass wir enttäuscht werden, weil sich die Politik der USA weit weniger ändert, als viele glauben?
Europa und auch Deutschland haben von George W. Bush die Nase voll und wollen deswegen einen Demokraten, egal wer es denn nun geworden wäre. Allerdings muss man wissen, dass amerikanische Präsidenten sich sehr stark an den Interessen und den langfristigen Perspektiven des Landes orientieren. Insofern wird es für Europa noch Überraschungen geben.

Welche Handlungsmöglichkeiten und Spielräume hat der US-Präsident?
Ursprünglich waren die Spielräume weit größer, insbesondere Obama plante deutliche Veränderungen etwa in den sozialen Sicherungssystemen. Damit wird es wahrscheinlich nichts mehr werden können, denn die Belastungen für den Haushalt sind aufgrund der Finanzkrise so groß geworden, dass kein Präsident große Möglichkeiten hat.

Welche Aufgaben kommen auf den neuen Präsidenten der USA zu? Was muss er tun?
Er muss zunächst einmal die Frage prüfen, ob er ein Konjunkturprogramm braucht, um die drohende Rezession abzuwenden. Dann muss er dafür sorgen, dass die in den Finanzsektor investierten Mittel nicht endgültig abfließen, sondern an den Steuerzahler zurückgezahlt werden. Die Branche muss wieder organisiert aus der Krise herausgeführt werden und schließlich muss er sich auch um andere Fragen kümmern, wie etwa die Reform des Gesundheitswesens.

Welche Auswirkungen hat die Weichenstellung im Weißen Haus auf die Wirtschaft in Europa und Deutschland?
Die Wirtschaft Europas und Deutschlands wird derzeit sehr stark von der Beherrschung der Finanzmarktkrise und der wirtschaftspolitischen Stabilisierung bestimmt. Das kann nur in Kooperation mit den Amerikanern gelingen. Insoweit ist die Lösung unserer wirtschaftspolitischen Fragen sehr auf Zusammenarbeit ausgerichtet.

Welche Bedeutung hat die US-Wirtschaft überhaupt noch für uns?
In den außenwirtschaftspolitischen Zielen spielt Amerika immer noch eine große Rolle. Es ist noch immer der zweitwichtigste Abnehmer für deutsche Exporte. Auf der anderen Seite gewinnen die asiatischen Märkte immer mehr an Bedeutung. Die relative Bedeutung der USA geht in der Weltwirtschaft und damit auch für uns zurück.

Welche Position sollte die deutsche Wirtschaftspolitik angesichts der Veränderungen in den USA einnehmen?
Die deutsche Wirtschaftspolitik wird sich mit den Wirtschaftspartnern in Europa enger abstimmen müssen und sie muss sich insbesondere um die Öffnung zu den asiatischen Märkten kümmern.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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