Weiterbildung in der Krise

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17. Dezember 2008, DIW Berlin: Wochenbericht

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann)
 



Die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist in eine Rezession übergangen, die alle Potentiale hat, wieder lang anhaltende Furchen in den Arbeitsmarkt zu ziehen. Trotz der erfolgreichen Reformen werden die Risikogruppen wieder besonders erfasst werden. Dauerarbeitslosigkeit wird wieder zunehmen – auch wenn sich dieser Neuaufbau dank der Reformen langsamer vollziehen wird. In dieser Situation wird nun gefordert, die Reformen zurückzufahren und insbesondere die Transferausgaben anzuheben, da sie besonders konsumintensiv wirken.

Dies wäre aus vielerlei Sicht falsch. Der Binnenkonsum ist derzeit nicht das größte deutsche Problem. Er könnte aber bald zum Problem werden, wenn nachlassender Reformeifer und das Aussetzen der Programme wieder die Entstehung von Arbeitslosigkeit zulassen. Im Gegenteil muss die frühe Aktivierung gerade der Problemgruppen verstärkt werden. Die wichtigste Problemgruppe aber sind die Ungelernten. Ihre Mobilisierung durch Weiterbildung sollte zum Kern einer nachhaltigen strategischen Arbeitsmarktpolitik werden. Die Bundesagentur für Arbeit sollte deshalb allen Kurzarbeitern und allen Ungelernten bei Kündigung mit einem spezifischen Weiterbildungsprogramm weiterhelfen. Diese Aktivierung muss sicherstellen, dass die Entstehung von Arbeitslosigkeit zur Ausnahme wird.

Das Bildungsthema ist aber viel breiter, seine Herausforderung ist in der Krise noch viel attraktiver. Wissen und Bildung sind die wichtigsten Ressourcen für Wachstum, Innovationen und Wohlstand. Trotz der Konjunkturschwäche haben wir einen fortdauernden Fachkräftemangel und ständig alternde Belegschaften. Zur Lösung dieser Strukturprobleme können wir nicht früh genug handeln, da sie uns noch lange beschäftigen werden. Im internationalen Vergleich sind aber die Weiterbildungsaktivitäten in Deutschland gering. Eine globale Weiterbildungsinitiative durch Ausgabe von Bildungsgutscheinen an alle Arbeitnehmer über 45 Jahre könnte Teil eines Rezessions-Reaktionspakets werden, das zum Ausgangspunkt für eine grundsätzliche Modernisierung Deutschlands werden kann. Hier muss der Fokus bei der erstklassigen Weiterbildung liegen.

Gegenwärtig hat Deutschland keine Weiterbildungsbranche. Die breite Bereitstellung von Weiterbildungsgutscheinen wäre also eine aktivierende Industriepolitik, die langfristig auf den privaten Wettbewerb setzt. So würde bald auch eine Fülle qualifizierter Arbeitsplätze in neu gegründeten Unternehmen entstehen. Teil des Modells könnten auch Public-Private-Partnerships mit Volkshochschulen, Schulen und Universitäten werden, die wie große Firmen ihre Expertise und Gebäude einbringen können. Dies wäre der Beginn einer Wissensgesellschaft, an der alle teilhaben können.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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