Ohne Hilfe geht nichts

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25. März 2009, Die Welt

(Gastbeitrag von Dorothea Schäfer und Klaus F. Zimmermann)

Wenn Banken nicht genug Kapital haben, muss der Staat zahlen. Sonst springt die Wirtschaft nie an
 

Basel II war immer ein ungeliebtes Kind. Das Ansinnen, für jeden Kredit einen Eigenkapitalpuffer entsprechend seines Ausfallrisikos vorhalten zu müssen, bereitete Banken und Mittelstand gleichermaßen Kopfzerbrechen. Während sich viele kleine Banken um die Kosten des Ratings sorgten, fürchteten Mittelständler, Kredite wegen schlechter Bewertung versagt zu bekommen. Mehr als zwei Jahre nach dem Start, mitten in der schwersten Finanzmarktkrise wird nun der Ruf lauter, das gesamte Projekt Basel II zu Grabe zu tragen.

Gegen das Regelwerk wird vor allem die Konjunkturabhängigkeit der Eigenkapitalanforderungen ins Feld geführt. In Krisenzeiten verschlechtern sich die Ratingnoten der Kreditkunden und die Banken müssen mehr Kapital für jeden bereits vergebenen Einzelkredit vorhalten. Für neue Kredite müsste zusätzliches Kapital aufgetrieben werden. Das gerade aber ist inmitten einer Krise schwierig. Mehr Interesse an Bankaktien gibt es naturgemäß nur in guten Zeiten. Ausgerechnet dann aber braucht die Bank die Mittel gar nicht, denn die Noten der Kunden sind gut und der Eigenkapitalbedarf ist somit gering.

Der Kapitalbedarf ist im Abschwung hoch und im Aufschwung niedrig. Reicht das aus, um Basel II auszusetzen oder zu Basel I zurückzukehren, wie das mancherorts gefordert wird? Wohl kaum. Zwar ist es in der momentanen Krise gerade für Banken in der Tat kaum möglich, privates Kapital aufzutreiben. Ein Grund, ihnen zu erlauben, noch weniger Eigenkapital vorzuhalten, ist das aber nicht. Eher trifft das Gegenteil zu: die Banken brauchen gerade jetzt mehr, viel mehr Eigenkapital. Wenn die Kreditqualität im konjunkturellen Abschwung auf breiter Front sinkt, müssen sie „etwas zuzusetzen“ haben. Genau das verlangt Basel II. Weil aber privates Kapital in der gegenwärtigen außerordentlichen Situation fehlt, muss der Staat einspringen und den Banken helfen, den höheren Kapitalanforderungen gerecht zu werden. Stärker kapitalisierte und damit krisenfestere Banken lassen sich nun mal nicht durch Aussetzen der Kapitalstandards erreichen. Kurzfristig muss der Staat höher ins Obligo gehen, um Mittel für die Entschuldung der Banken und für deren Stabilisierung bereitstellen zu können. Gelingt eine angemessene Entschuldung und Stabilisierung des Bankensektors, so wird auf mittlere bis längere Frist auch wieder genügend privates Kapital bereit stehen, um die Staatsbeteiligungen abzulösen.

Auch die zweite zentrale Kritik, die Nichtverhinderung der Zweckgesellschaften außerhalb der Bilanz, trifft Basel II zu Unrecht. Die neuen Basler Richtlinien sind zum Jahresbeginn 2008 verbindlich geworden. Zu diesem Zeitpunkt existierten die Zweckgesellschaften längst und IKB und Sachsen LB waren bereits untergegangen. Mit Basel II hat die Aufsicht aber endlich ein Instrument in die Hand bekommen, außerbilanzielle Vehikel wieder in die Bilanz zurückzuholen. Daher sollte das Instrument gestärkt und der Aufsicht das Personal zur Durchsetzung ermöglicht werden. Keinesfalls aber sollte man ihr das Handwerkszeug gleich wieder aus der Hand schlagen.

Kaum beherrschbare, weil extrem aufgeblähte Bilanzen sind ein drittes Problem, das auf den Nägeln brennt. Weder Basel I noch Basel II kennen eine Handhabe gegen durch Fremdkapital getriebene Bilanzverlängerung. Eine Abkehr von Basel II würde an diesem Problem daher wenig verändern. Nur die Unterlegung von exzessiver Hebelfinanzierung mit Eigenkapital im Rahmen einer Weiterentwicklung von Basel II kann hier dauerhaft Abhilfe schaffen. Kurzfristig ist eine Verbesserung der Bilanzrelationen ohnehin nur zu erreichen, wenn die Problemaktiva wertberichtigt, in eine Bad Bank ausgelagert und die Good Bank anschließend vom Staat rekapitalisiert wird.

Alles in allem spricht viel für eine gezielte Weiterentwicklung der Basler Vorschriften. Neben der Berücksichtung der Hebelfinanzierung stehen mehr Einfachheit und eine höhere Eigenverantwortung der Banken bei der Risikobeurteilung ganz oben auf der Agenda. Die Idee, Banken in schlechten Zeiten zu mehr Eigenkapital zu verpflichten und in guten Zeiten eine laxere Gangart zu erlauben, bleibt richtig. Basel II muss in Zukunft nur sicherstellen, dass Banken selbst das „Fett“ ansetzen können, von dem sie in schlechten Zeiten zehren wollen. Boni und Dividenden werden allein deshalb nicht mehr so reichlich fließen können wie in der Vergangenheit.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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