Im Vorfeld der neuen Gesprächsrunde des Bündnisses für Arbeit fehlt es nicht an Vorwürfen und Schuldzuweisungen: Die
Gewerkschaftsführungen sehen sich angesichts der zögerlichen Beschäftigungszuwächse und der zuletzt gezeigten Lohnzurückhaltung in
Gefahr, vor ihren Mitgliedern mit leeren Händen dazustehen - da wird ihnen der vermeintlich volle Gabenkorb der Reform betrieblicher
Mitbestimmung gereicht. Die Unternehmer können auf keine eigene Arbeitsmarktinitiative verweisen, die eine nachhaltige Besserung der Beschäftigungslage
verspricht - da verschafft ihnen die vorgesehene Betriebsverfassungsreform eine neue Gelegenheit, vermeintliche Schreckpotentiale für den
Standort Deutschland zu geißeln. In Wirklichkeit zelebriert hier die Regierung ihre Macht, den Interessengruppen Freud und Leid
zuzufügen. Die Mitbestimmungsreform läßt sich als geschicktes Taktieren interpretieren, alle Seiten am runden Tisch der
Bündnisgespräche zu halten.
Der Preis für dieses Kulissengeschiebe ist eine Gespensterdebatte. Die Kosten der Reform der Betriebsverfassung wurden zwar auf rund
2,7 Milliarden Mark beziffert, aber das wäre nur ein Promille der jährlichen Arbeitskosten. Der volkswirtschaftliche Nutzen allerdings steht
in den Sternen. Zwar kann man sich durch die betriebliche Mitbeteiligung der Arbeitnehmer Motivationseffekte und effizientere
Betriebsabläufe erhoffen. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch weder solche produktivitätssteigernden Wirkungen noch die
befürchteten gegenteiligen Effekte. Auch reduziert bereits der Flächentarif die gesamtwirtschaftlichen Lohnverhandlungskosten und braucht
deshalb durch betriebliche Regelungen nicht gestützt werden.
Die aufkommende Forderung, die Arbeitnehmer an den Kosten des Betriebsrates zu beteiligen, erscheint deshalb nur konsequent. Aber
wäre sie auch richtig? Wie bereits in der Vergangenheit werden die Unternehmer die zusätzlichen Kosten aus der Reform auf die
Arbeitnehmer mittels geringerer Lohnzuwächse abwälzen. Demnach zahlen also ohnehin die Arbeitnehmer die Ausweitung ihrer
Mitbestimmung selbst. Es handelt sich letztlich um eine für die Betriebe zwar lästige, aber im Endeffekt nicht gravierende Reform. Für das
Bündnis für Arbeit mag das freilich bedeuten, daß die Gewerkschaften nun klug genug sind, die Mitbestimmungsreform mit der
Bereitschaft zu weiteren moderaten, mittelfristigen Lohnabschlüssen zu entgelten.
Ist die heiße Luft erst einmal raus, dann kann und muß sich das Bündnis auf die drängenderen Themen konzentrieren: Dazu gehört nicht
etwa ein Überstundenabbau, dessen Wirkung fragwürdig wäre. Wohl aber sollte es im Bündnis darum gehen, Lösungen zu finden, damit
die Behebung des sich abzeichnenden Fachkräftemangels auch zu neuen Chancen für gering Qualifizierte führt. Ebenso dringend ist eine
überzeugende Organisation lebenslanger Qualifizierung, damit wir fit bleiben für die Zukunft der Arbeit.
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