Zuwanderung à la carte

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16. Mai 2001, Rheinische Post

(mit Stellungnahme Klaus F. Zimmermann)

"Ein Flop", sagen die einen. Ein "voller Erfolg", sagen die anderen. Die Green Card für IT-Spezialisten ist umstrittender denn je. Erst recht als Konzept für die Zuwanderung.
 

Bewahrheitet hat sich allein das Klischee vom Computer-Inder. 1429 Inder haben bislang eine Arbeitserlaubnis bekommen, und sie stellen damit das mit Abstand größte Kontingent der Spezialisten für die Informationstechnologie (IT), gefolgt von Russen, Weißrussen und Ukrainern, die es auf insgesamt 1019 bringen. Nicht gerade eine Experten-Flut, die da ins Land strömt. Seit August des vergangenen Jahres sind rund 7100 Green Cards vergeben worden - gemessen an den 75.000 fehlenden Experten, die die Branche der Informations-Technologie ins Feld führt, ein Klacks.

"Ein voller Erfolg", sagt indes IBM-Chef Erwin Staudt. Schließlich habe man 40.000 Anfragen gezählt, und die Unternehmen stellten eben "höchste Anforderungen, vor allem an deutsche Sprachkenntnisse", so Staudt. Der Manager steht zugleich der Initiative "D 21" vor, ein Zusammenschluß von Unternehmen mit dem Ziel, Deutschland für das Informationszeitalter fit zu machen. Ein Erfolg sei die Green Card schon allein deshalb, weil sie pro IT-Experte 2,5 deutsche Arbeitsplätze geschaffen habe.

Allerdings, so räumt Staudt im Gespräch mit unserer Zeitung ein, "haben wir gelernt, dass nicht alle kommen, wenn wir die Tür aufmachen". Staudts Namensvetter, der Innovationsforscher Erich Staudt aus Bochum, formuliert das drastischer:"Naiv" sei der Glaube, man könne sich die Fachleute einfach aus dem Ausland holen. "Das gibt der Weltmarkt gar nicht her."

Der Wettkampf um die Besten - Deutschland hat dabei nicht die günstigste Ausgangsposition: So ist die Arbeitsberechtigung auf gerade einmal fünf Jahre befristet, und die Ehegatten dürfen erst nach einem Jahr Wartezeit einen Job annehmen. Warum dann nicht gleich nach Amerika ziehen? IBM-Chef Staudt hofft, diese Begrenzung "in einer Bereinigung" beseitigen zu können. Schließlich müsse man Ende des Jahres, wenn "vermutlich das Kontingent von 20.000 Green Cards erreicht ist", ohnehin überlegen, wie es weitergeht. "Andere Branchen haben ja auch Interesse angemeldet."

Zuwanderungen also à la carte, nach den Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft vom Maschinenbau bis zur Gastronomie? Nach Schätzungen von Klaus F. Zimmermann, Chef des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA, Bonn) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin) fehlen aber bis zu einer halben Million hochqualifizierte Fachkräfte.

"Es wäre eine Illusion zu glauben, wir lösen unsere Probleme, indem wir 20.000 IT-Spezialisten ins Land holen", so Zimmermann zu unserer Zeitung. Der Ökonom fordert ein systematisches Herangehen an das Problem und schlägt zwei Säulen für die Zuwanderung vor:
Säule eins: Ein Modell für die unbefristete Einwanderung. Die Auswahl der Zuwanderer solle anhand bestimmter Kritierien wie Ausbildung oder Alter erfolgen.
Säule zwei: Ein Auktionsverfahren, um damit zeitlich begrenzten Bedarf an Spitzenkräften zu decken. "Keiner kann genau sagen, wie viele Leute in bestimmten Branchen fehlen", so Zimmermann. Mit einem marktwirtschaftlichen Auktionsverfahren könne man dieses Problem elegant lösen. Netter Zusatzeffekt: Es entsteht eine Einnahmequelle.

Das Verfahren: Der Staat würde eine bestimmte Zahl an Lizenzen definieren, die Unternehmen könnten diese Lizenzen dann in einer Auktion ersteigern und sich die Arbeitskräfte suchen. Der Ersteigerungserlös - zum Beispiel in Höhe eines Jahresgehaltes für eine dreijährige Beschäftigung des Experten - flösse in die Staatskasse. Die Einnahmen sollten in die Ausbildung gesteckt werden. Will das Unternehmen den Spezialisten länger als drei Jahre beschäftigen, müsse es nochmals in die Auktion gehen.

Ideen gibt es also genug. Die Frage ist nur: Entwickelt die Bundesregierung ein konsistentes Einwanderungskonzept oder öffnet sie lediglich die Green Card für andere Wirtschaftsszweige. Eine Frage, mit der sich derzeit auch eine Zuwanderungskomission unter dem Vorsitz Rita Süssmuths befasst. Noch jedenfalls wird die Green-Card, vor einem Jahr von Bundeskanzler Schröder spontan auf der Computermesse CeBIT vorgeschlagen, als Erfolg gefeiert. "Keinesfalls ein Flop" sei das Angebot, so ein Sprecher des Arbeitsministeriums. Bei Landesarbeitsämtern indes heißt es:"Wir haben uns schon mehr erwartet."


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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