Internationale Wissenschaftler haben die von der Bundesregierung verabschiedete Rentenreform grundsätzlich begrüßt, den Einstieg in die
Privatvorsorge aber überwiegend als zu zaghaft kritisiert. Als Problem wurde auf einer Fachtagung in Berlin zudem die geringe Entlastung
der Rentenkassen gewertet. Dadurch werde bereits in wenigen Jahren eine erneute Reform des gesetzlichen Umlageverfahrens notwendig,
hieß es in einer Stellungnahme der Ökonomen, die auf Einladung des Bonner Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) zusammen
gekommen waren. IZA-Direktor Klaus Zimmermann, der auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin leitet, hob die enge Verzahnung
zwischen Arbeitsmarkt und Rentenordnung hervor. Der Anreiz zur Frühverrentung, den das deutsche System setze, gelte es umzukehren,
forderten die Wissenschaftler übereinstimmend. Der frühere Chefökonom der Weltbank, Joseph Stiglitz, regte zu diesem Zweck im
Gespräch mit der WELT eine Indexierung des Renteneintrittsalters auf Basis der steigenden Lebenserwartung an. Zimmermann schlug
eine Modifikation der finanziellen Anreize vor, die eine längere Lebensarbeitszeit attraktiver machten. Sollte sich durch Anreize der Trend
zur Frühverrentung jedoch nicht stoppen lassen, sei eine obligatorische Verlängerung der Lebensarbeitszeit nötig, sagte Zimmermann. Der
Konstanzer Ökonom Friedrich Breyer befürwortet eine radikale Lösung: Er schlug eine sofortige Streichung aller staatlichen Subventionen
vor, die Anreize zur Frühverrentung setzen.
Die US-Wissenschaftlier Stiglitz und Franco Modigliani vom Massachusetts Institut of Technology (MIT) lobten den Einstieg in die staatlich
geförderte Privatvorsorge als einen "Schritt in die richtige Richtung". Während Stiglitz besonders im Hinblick auf ähnliche Bemühungen in
den USA das Reformwerk der Deutschen als wegweisend lobte, kritisierte Modigliani die staatlich geförderte Sparrate von anfänglich nur
einem Prozent des Bruttoeinkommens, die im Laufe von acht Jahren auf vier Prozent ansteigen soll. Dies sei praktisch "nichts", sagte der
Nobelpreisträger. Nach Einschätzung der Ökonomen sollten die europäischen Länder darum auch Erlöse aus der Privatisierung von
Staatsunernehmen für den Aufbau eines Kapitalstocks der Sozialkassen nutzen.
Rückendeckung aus der Wissenschaft bekamen die Tarifpartner für die Einrichtung überbetrieblicher Pensionsfonds. Stiglitz und
Modigliani betonten die Vorteile gepoolter Vorsorgekassen gegenüber der individuellen Altersvorsorge. Diese sparten Transaktionskosten
und ließen eine Verteilung von Risiken zu. Überdies sei Erhebungen zufolge der Großteil der Sparer schlecht informiert, so dass eine
Delegation der Sparentscheidung auf eine gemanagte Kasse zu empfehlen sei.
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