Keine Arbeit trotz Wachstum

Logo
06. März 2017, Frankfurter Allgemeine Zeitung

(Mit Bezug zu IZA DP No. 10580: Are the Spanish Long-Term Unemployed Unemployable?)
 

[. . .]

Noch erschreckender ist die Situation der Langzeitarbeitslosen. Das geht aus einer Analyse des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) zum spanischen Arbeitsmarkt hervor. Die Forschergruppe um den Ökonomen Samuel Bentolila hat beobachtet, dass selbst die hohen Wachstumsraten der vergangenen drei Jahre den großen Anteil der Langzeitarbeitslosen nicht merklich verringert hätten. Auf dem Höhepunkt der Krise hätten zwei Drittel der Arbeitslosen schon mehr als ein Jahr vergeblich nach einer neuen Stelle gesucht. Dieser Anteil sei bis heute nur unwesentlich gesunken: Immer noch gehörten 57 Prozent der Arbeitslosen in Spanien zu der Gruppe der Langzeitarbeitslosen. 42 Prozent warteten schon mehr als zwei Jahre auf ein neues Beschäftigungsverhältnis. Die Forscher stellten deshalb die These auf, dass ein Teil davon vielleicht gar nicht mehr "anstellbar" sei. Um herauszufinden, woran das liegen könnte, analysierten sie zunächst, welche Faktoren die Dauer der Arbeitslosigkeit in Spanien besonders negativ beeinflussten. Die größten Hemmnisse überraschen nicht: Wer wenig Arbeitserfahrung oder ein Bezugsrecht auf Arbeitslosengeld hatte, fand nach dem Eintritt in die Arbeitslosigkeit wesentlich schwerer eine neue Beschäftigung. Auch ein höheres Alter wirkte sich negativ auf die Wiedereinstiegschancen aus. Weniger entscheidend war hingegen das Bildungsniveau der Arbeitssuchenden. Keinen Einfluss auf die Dauer der Arbeitslosigkeit hatten den Forschern zufolge zudem die Gehaltsvorstellungen der Arbeitslosen. So sei der Schwellenlohn - also der Lohn, zu dem die Langzeitarbeitslosen eigenen Angaben zufolge im Schnitt bereit sind, wieder eine Arbeit aufzunehmen - zuletzt stark gesunken. Auch der durchschnittliche Lohn, den die Arbeitssuchenden bei ihrem Wiedereinstieg ins Berufsleben im Schnitt erhalten, sei deutlich niedriger als vor den beiden Wirtschaftskrisen. Die Möglichkeit, über Lohnanpassungen den spanischen Arbeitsmarkt anzukurbeln, halten die Forscher daher für ausgereizt. Deshalb müsste die Politik die Langzeitarbeitslosigkeit gezielt bekämpfen. "Die wirtschaftlichen Risiken der Langzeitarbeitslosigkeit sind beträchtlich", schreiben die Autoren. Je länger eine erwerbsfähige Person aus dem Berufsleben ausscheidet, desto schwieriger sei es für sie, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen - das belegten zahlreiche Studien. Mit der Dauer der Arbeitslosigkeit sinke die Motivation, neue Arbeit zu suchen, aber auch die Bereitschaft der Arbeitgeber, die jeweilige Person einzustellen. Je länger ein substantieller Teil einer Gesellschaft jedoch von der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eines Landes abgekoppelt ist, desto größer werde die Gefahr einer sozialen Spaltung.

[. . .]


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

Back