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Persönlichkeitseigenschaften: Garant für unternehmerischen Erfolg?
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Erfolgreiche Unternehmensgründungen sind für einen funktionierenden Arbeitsmarkt von elementarer Bedeutung. Die Arbeitsmarktforschung richtet deshalb nicht von ungefähr ihr Augenmerk zunehmend auf dieses Segment und geht dabei insbesondere der Frage nach, welche Rolle bestimmte Persönlichkeitseigenschaften für die Entscheidung zur Existenzgründung und ihren erfolgreichen Verlauf spielen. Hier ist eine stark interdisziplinäre Herangehensweise gefragt, die neben volks- und betriebswirtschaftlichen Komponenten auch Elemente der Psychologie integriert. Die führende Rolle des IZA-Netzwerkes auf diesem Forschungsgebiet wurde durch einen gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) ausgerichteten Workshop unterstrichen, der am 25. und 26. Februar 2010 in Bonn stattfand. Zahlreiche Experten aus aller Welt folgten einer Einladung von IZA-Forschungsdirektor Marco Caliendo und Alexander Kritikos (DIW Berlin), um im Rahmen einer „Leistungsschau“ ein breites Spektrum von Forschungsfragen zu erörtern. Als Hauptredner konnte mit David Audretsch, Direktor des Institute for Development
Strategies (Indiana University), einer der renommiertesten Wissenschaftler in der Entrepreneurship-Forschung gewonnen werden. Er lieferte einen Überblick über die bisherige Entwicklung dieses Forschungsfelds und zeigte auf, wie es seit den 1980er Jahren zunehmend mehr Gewicht in der Wirtschaftsforschung gewann.
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Ob Individuen mit unternehmerischem Talent besonders eigennützige Charakterzüge aufweisen, ist Gegenstand eines an den Universitäten Jena und Utrecht durchgeführten Laborexperiments, das von Utz Weitzel (Utrecht University) vorgestellt wurde. Ökonomische Modelle nahmen bisher an, dass Individuen mit unternehmerischem Talent eigennützig handeln und sich im Durchschnitt eher an für sie profitablen aber gleichzeitig sozial unproduktiven Aktivitäten beteiligen. Weitzels Studie jedoch zeigte anhand von Experimenten, dass hinsichtlich des unternehmerischen Talents differenziert werden muss: Offenbar verhalten sich geschäftstüchtige aber wenig kreative Individuen eigennützig, während jedoch bei Individuen mit stärkeren kreativen Fähigkeiten eher die Uneigennützigkeit als Charakterzug dominiert. David Croson (SMU Cox School of Business) präsentierte ein ökonomisches Modell, mit dem erklärt werden kann, warum viele Individuen trotz der Aussicht auf einen geringeren Verdienst den Weg in die Selbstständigkeit wählen. Sein Modell formalisiert die Wechselbeziehungen zwischen der durch Selbstständigkeit erhöhten Autonomie und höherem Einkommen aus abhängiger Beschäftigung. Individuen weisen dabei eine Präferenz für die Selbstständigkeit auf, da sie die eigene Unabhängigkeit höher bewerten als den aus Einkommenseinbußen resultierenden monetären Nutzenverlust.
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Einen weiteren interessanten psychologischen Forschungsansatz bildete der Beitrag von Alina Rusakova und Michael Fritsch (beide Universität Jena), die auf Grundlage von Mikrodaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) die Kausalbeziehungen zwischen kultureller Kreativität und Unternehmertum untersuchten. Ihre empirischen Ergebnisse weisen eindeutig auf einen signifikant positiven Zusammenhang dieser Art hin.
Großes Interesse fanden die von Frank Fossen (DIW Berlin) referierten, in Kooperation mit Marco Caliendo und Alexander Kritikos erarbeiteten Forschungsresultate zum Stellenwert von Persönlichkeitsmerkmalen und sozialen Kompetenzen im Hinblick auf die Unternehmensgründung. Obwohl auch soziale Kompetenzen (z.B. Kontaktaufnahme zu Kunden und Durchsetzungsvermögen) mit der Entscheidung zur Selbstständigkeit korreliert sind, nehmen den Untersuchungen zufolge in der Tat vor allem individuelle Charakteristika wie z.B. Leistungsmotivation, ausgeprägte Fähigkeit zur Problemlösung und das Vertrauen in die eigene unternehmerische Gestaltungskraft einen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, einen dauerhaft erfolgreichen Schritt in die Selbstständigkeit zu tun. Marco Vivarelli (Università Cattolica del Sacro Cuore) widmete sich einem eher betriebswirtschaftlichen Thema und untersuchte die Determinanten der Produktinnovation von jungen Unternehmen in Italien. Dabei zeigte sich, dass innerbetriebliche Aktivitäten im Bereich von Forschung und Entwicklung (FuE) sowohl in jungen als auch etablierten Unternehmen mit der Neigung zu Produktinnovationen verbunden sind, während externe FuE-Aktivitäten eine wesentlich geringere Rolle spielen. George A. Panos (University of Aberdeen) zeigte in seinem Beitrag auf, wie mit Hilfe des “Case-Control Matching” Unterschiede zwischen Unternehmern und Nicht-Unternehmern anhand ihres Investitionsverhaltens an der Börse empirisch untersucht werden können. Dabei sind zukünftige Unternehmer gemäß den Ergebnissen der Studie erheblich häufiger bereit an der Börse zu investieren als die Vergleichsgruppe der Nicht-Unternehmer. Mirjam van Praag (University of Amsterdam) ging der Frage nach, wie wertvoll die Bildung für das spätere Einkommen eines Unternehmers im Vergleich zu abhängig Beschäftigten ist. Auf Grundlage von Längsschnittdaten aus den USA kam sie zu dem Ergebnis, dass Bildung die Entscheidung zur Selbstständigkeit negativ beeinflusst, Unternehmer jedoch höhere Bildungsrenditen als abhängig Beschäftigte erzielen. Viele Existenzgründer betreiben den Schritt in die Selbstständigkeit aus einer abhängigen Beschäftigung heraus und müssen ihre Zeit zwischen bisher ausgeübtem Job und Gründungsvorbereitung einteilen. Katrin Burmeister-Lamp (Erasmus University Rotterdam) lieferte vor diesem Hintergrund einen Beitrag zu einem besseren Verständnis der Zeitallokation während dieser kritischen Übergangsphase. Experimente mit Existenzgründern und Studenten weisen auf einen deutlich zielorientierter strukturierten „Zeithaushalt“ der angehenden Selbstständigen hin.
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Robert W. Fairlie (University of California, Santa Cruz) präsentierte eine auf US-amerikanischen Daten basierende Untersuchung der Forschungsfrage, ob die betriebliche Krankenversicherung in den USA ein Hindernis für Unternehmertum darstellt. Die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass das betriebliche Krankenversicherungssystem potenzielle Unternehmer eher davon abhält eine eigene Firma zu gründen. Simon C. Parker (University of Western Ontario) zeigte ausgehend von einem ökonomischen Occupational-Choice-Modell auf, dass Gründer von neuen Unternehmen eine höhere formale Schulbildung besitzen als Unternehmer, die etablierte Firmen übernehmen. Ulrich Kaiser (Universität Zürich) quantifizierte mittels einer Propensity Score Matching-Methode die Auswirkungen früherer Erfahrungen in der Selbstständigkeit auf nachfolgende, aus abhängiger Beschäftigung resultierende Einnahmen. Seine Ergebnisse bestätigen auf den ersten Blick, dass vormalige Existenzgründer mit spürbar niedrigeren Löhnen in einer anschließenden abhängigen Erwerbstätigkeit konfrontiert sein können, verglichen mit Löhnen von durchgängig abhängig beschäftigten Individuen. Die Analysen veranschaulichen aber zugleich, dass dieser Effekt offenbar primär auf einen Wechsel der Branche zurückzuführen ist, während ein Einkommensnachteil im Falle des Verbleibs im gleichen Wirtschaftssektor kaum feststellbar ist. Existenzgründer, die zugleich Arbeitsplätze geschaffen haben, erzielen in späteren Phasen abhängiger Arbeit tendenziell eher Lohnvorteile gegenüber der Vergleichsgruppe. Joop Hartog (University of Amsterdam) führte eine vergleichende Analyse des Ertrags von kognitiven und sozialen Fähigkeiten auf das Einkommen von Unternehmern und abhängigen Beschäftigten durch. Untersuchungen eines Datensatzes aus den USA geben Anlass zu der Vermutung, dass ausgeprägte mathematische, technische und soziale Kompetenzen vor allem Existenzgründern zugute kommen, die zudem auch von besonders ausgewogen vorhandenen allgemeinen und spezifischen Fähigkeiten in Form eines höheren Einkommens signifikant profitieren.
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Milo Bianchi (Paris School of Economics) wies in seiner Präsentation darauf hin, dass selbstständige Unternehmer in Ländern mit guten Zugangskonditionen zu Unternehmenskrediten trotz niedrigerem Einkommen eine höhere Arbeitszufriedenheit aufweisen als abhängig Beschäftigte. Joana Mendonça (Technical University of Lisbon) richtete ihr Augenmerk auf portugiesische Firmen in forschungs- und wissensintensiven Branchen und studierte den Einfluss von Humankapital auf die Leistung eines Betriebs. Ihre Analysen legen nahe, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Bildung eines Firmeninhabers und der Überlebenswahrscheinlichkeit des Unternehmens besteht. Der erste IZA/DIW Workshop zur Erforschung von Unternehmensgründungen bot eine breit gefächerte Marktübersicht zu den aktuell diskutierten Forschungsfragen auf diesem Gebiet. Die wissenschaftlichen Resultate sind von erheblicher Bedeutung auch für politische Maßnahmen zur Stimulation von Existenzgründungen. Die IZA-Homepage hält alle im Veranstaltungsverlauf vorgestellten Untersuchungen zum Herunterladen bereit.
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