Um die besten Köpfe werben

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March 16, 2000, Wirtschaftswoche

(Interview mit Klaus F. Zimmermann)

DIW-Präsident Klaus Zimmermann über die Notwendigkeit gesteuerter Zuwanderung
 

Herr Professor, ist die zeitlich beschlänkte Green Card für 10000 Experten aus der Informationstechnik (IT) sinnvoll?
Nach all der Aufregung um das Thema ist das enttäuschend. Gerhard Schröder bleibt weit hinter seinen ersten Ankündigungen zurück. Der Fachkräftemangel in der Wirtschaft ist viel größer und nicht nur auf den IT-Bereich beschränkt. Auch andere HIgh-Tech-Branchen wie Elektrotechnik, Chemie und Maschinenbau suchen händeringend nach Mitarbeitern.

Der Regierung zufolge könnte die Lücke in spätestens fünf Jahren durch mehr Uniabsolventen und umgeschulte Arbeitslose gedeckt werden. Ist das realistisch?
Natürlich hilft es, wenn die Unis mehr in High-Tech-Berufen ausbilden und die Firmen ihre Aus- und Weiterbildung verstärken. Aber in der Summe wird das nicht reichen. Die Umschulung von Arbeitslosen hat selbst bei wesentlich einfacheren Tätigkeiten in der Vergangenheit keine großen Erfolge gebracht. Ob die Weiterbildungsträger überhaupt so kurzfristig Ausbildungsgänge für die neuen IT-Berufe anbieten können, bezweifle ich auch. Mit einem einfachen EDV-Kurs ist es ja nicht getan.

Arbeitslose sind hier also chancenlos?
Ich halte es für unverantwortlich hier eine Hoffnung zu wecken. Die meisten Arbeitslosen dürften von Ausnahmen abgesehen nicht die Grundqualifikation dafür haben und auch nicht die mentalen Voraussetzungen mitbringen, mit der Informationstechnologie so umzugehen, wie es in den neuen IT-Firmen nun mal verlangt wird. Wer noch Lochkarten gestanzt hat, wird sich mit jungen Internetfreaks nur schwer verständigen können. Ansonsten wäre er wohl nicht arbeitslos.

Ist Schröders Green Card also nur weiße Salbe, die am Arbeitsmarkt wenig bringt?
in der Regel ja. Nach wie vor müssen die Firmen sich bei den Arbeitsämtern eine Erlaubnis holen, die sie nur bekommen, wenn sie auch aus- oder weiterbilden. Dieser Bürokratismus wird den Unternehmen weiter das Leben schwer machen. Eine Ausbruchstimmung und eine Vitalisierung der Wirtschaft durch neue kreative Kräfte erzeugt das nicht.

Also werden hier Chancen für Wachtum und Wohlstand vergeben?
Ja, besser hätte man sich an den USA orientiert. Dort ist die gezielte Einwanderungspolitik eine der wesentlichen Ursachen für die Wirtschaftsboom. Amerika hat systematisch die besten jungen Leute der ganzen Welt an seine Unis geholt und den Allerbesten anschließend eine unbegrenzte Arbeitserlaubnis gegeben. In der Wissensgesellschaft können ein paar Zehntausend solcher Menschen, selbst in einem so großen Land, entscheidende Inpulse geben.

Diese klugen Köpfe müsste doch aber jedes Land gerne haben wollen?
Richtig, um diese hoch mobilen Talente gibt es einen weltweiten Wettbewerb. Deutschland ist eine Wissensgesellschaft und muss sich auch dieses Humankapital sichern. Abgesehen von den Zwängen, die eine stark schrumpfende Geburtenrate auslöst, brauchen wir deshalb langfristig eine wirtschaftlich bestimmte Zuwanderung. Und wir müssen diesen Hochqualifizierten - egal ob fremder oder deutscher Nationalität - attraktivere Arbeits- und Lebensbedingungen bieten, etwa durch die Steuerpolitik. Sonst gehen die woandershin, um Geld zu verdienen, auch wenn sie an deutschen Unis ausgebildet wurden. Dieses Problem hat die Politk noch überhaupt nicht realisiert.

Wo ist das besser?
Die klügste Zuwanderungspolitik machen die USA und Kanada. Auch Großbritannien ist durch die Commonwealth-Tradition de facto ein Einwanderungsland. Weil Migration in ethischen Netzwerken stattfindet, wird es ein begehrtes Ziel bleiben, die Inder gehen deshalb viel eher dorthin als nach Deutschland. Wir haben aber gute Chancen für eine Zuwanderung aus Osteuropa, weil die dortigen Eliten viel häufiger auch Deutsch sprechen.

Wie können wir diese Chance nutzen?
Wir müssen unsere Unis für ausländische Studenten öffnen und durch kurze Ausbindungsgänge und Lehrangebote in Englisch attraktiv machen, etwa durch spezielle Doktorandenstudiengänge für die Spitzenleute. Wir können den guten Studenten aus diesen Ländern nach Studienabschluss eine unbefristete Arbeitserlaubnis geben. Schließlich brauchen wir eine unbürokratische Green-Card-Regelung, die eine attraktive Perspektive schafft für weltweit mobile High-Tech-Experten. Eine kurzfistige und vorläufige Regerung ist dafür nicht geeignet.

Sie wollen, dass wir für Einwanderer attraktiv werden. Die politische Diskussion in Deutschland ist davon aber weit entfernt.
Der ganze Populismus in der Ausländerpolitk kann eine Tatsache nicht verdecken: Wir können zwar nicht alle Tore öffnen, aber wir müssen unsere Perspektive um 180 Grad drehen, nämlich Einwanderer in Zukunft nicht mehr abschrecken, sondern um die besten Köpfe unter ihnen werben.


Reprinted with permission.

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