Aufschwung durch Zuwanderer

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July 07, 2000, Die Woche

(Gastbeitrag Klaus F. Zimmermann)
 

Über Nacht ist Zuwanderung vom Unwort zum Modewort geworden. Die Bundesregierung setzt eine Fachkommission ein, die konservative Opposition will ihre alte Vogel-Strauß-Taktik durch den Ruf nach einem Gesamtkonzept zur Regelung von Asylgewährung und bedarfsgerechter Immigrations-Steuerung vergessen lassen. Es wurde auch Zeit, daß die Scheuklappen fallen und endlich der Blick dafür eröffnet wird, wie notwendig Deutschland Zuwanderung braucht. Der aktuelle Bedarf der Computerbranche ist nur die Spitze. Vom Maschinenbau über die Biotechnologie bis zu den Gesundheitsdiensten ist der Arbeitskräftebedarf groß, die Lücke im deutschen Arbeitskräfteangebot aber noch größer.

Wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß sich zwei Entwicklungen überlagern: Hier spürbare Mangel in einigen Branchen, Berufsgruppen oder Tätigkeitsprofilen, der durch arbeitsuchende Einheimische und EU-Bürger nicht zu decken sind. Dort eine anhaltend hohe Sockelarbeitslosigkeit von Geringqualifizierten, die unter dem raschen Wandel zur modernen Dienstleistungs- und Informationsgesellschafts leiden. Ergreifen wir die Chancen der Zuwanderung, dann wird dies zu wachsender Prosperität bei mehr Beschäftigung auch der geringer Qualifizierten führen. Denn entwickelt sich die Wirtschaft, dann werden auch sie stärker nachgefragt.

Unser Ausbildungssystem trägt ein Gutteil Mitschuld an der derzeitigen Lage. Zu oft geht es am Fachkräftebedarf vorbei. Nach wie vor wird in zukunftslosen Branchen (z.B. im Bergbau) quasi für die Arbeitslosigkeit ausgebildet, während es für Zukunftsjobs noch keine Berufsbilder gibt. Auch Wirtschaft und Politik berücksichtigen langfristige Perspektiven zu wenig. Selbst dort, wo vorausplanend ausgebildet wurde - etwa in der Biotechnologie - wurde zu wenig für adäquate Beschäftigungsmöglichkeiten getan, so daß heute gefragte Fachleute in die USA abgewandert sind. Der Ausbildungsmarkt braucht neue Dynamik, auch durch äußere Einflüsse. Deutschland muß wieder zum attraktiven Studienstandort werden, ausländische Absolventen sollten bei Bedarf länger als nur fürs Studium in Deutschland bleiben dürfen. Die betriebliche Ausbildung muß verkürzt, zu spezielles Training vermieden werden. Statt dessen muß die betriebliche Weiterbildung als neues Standbein forciert werden. Der Ruf nach Green oder Blue Cards verdeckt allerdings bloß, daß bisher ein schlüssiges Gesamtkonzept zur Steuerung der Zuwanderung fehlt. Ein Zuwanderungsgesetz ist nur das Instrument, nicht schon die Lösung. Auch ist eine deutsche Regelung nur die Vorstufe einer späteren europäischen Rechtsharmonisierung. Es ist aber dringend an der Zeit, den Bedarf zu analysieren und Kriterien für die Auswahl von Zuwanderern zu erarbeiten und danach eine entsprechende eigene Zuwanderungsquote für Arbeitskräfte festzulegen. Je nach ermitteltem Bedarf könnte diese Quote angehoben oder gesenkt werden. Es liegt auf der Hand, daß es dabei vorrangig um dauerhafte Immigration geht, die auch einer eindeutigen Integrationsperspektive bedarf.

International hat sich für die Auswahl ein Punktesystem bewährt, bei dem Ausbildung, Sprachkenntnisse, Mangelberufe und kulturelle Integrationsfähigkeit zentrale Faktoren sind. Für temporäre Zuwanderung bietet sich ein Auktionsverfahren an, bei dem zeitlich begrenzte Arbeitserlaubnisse an Unternehmen versteigert werden. Sie erwürben das Recht, sich nach Bedarf auf dem Weltmarkt Arbeitskräfte zu suchen. Die Auktionserlöse könnten in das heimische Ausbildungssystem fließen.


Reprinted with permission.

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