Langes Warten auf das Jobwunder

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January 15, 2001, Rheinische Post

(Gespräch mit Klaus F. Zimmermann)

DIW-Chef fordert Deregulierung am Arbeitsmarkt
 

Wie viel Wirtschaftswachstum schafft wie viele Jobs? Diese Frage treibt einmal mehr Politik und Gewerkschaften um. Erst recht, da im vergangenen Jahr eine steife Briese der deutschen Wirtschaft eine Wachstumsrate von unverhofften 3,1 Prozent bescherte, die Ausbeute neuer Arbeitsplätze aber mau ausfiel. Während die CDU bei der Ursachenforschung im Dichicht eines regulierten Arbeitsmarktes fündig wird, entdecken die Gewerkschaften indes Wortbruch auf Seiten des Arbeitgeber.

DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer: Die Arbeitgeber hätten "bei weitem nicht den möglichen Umfang" genutzt, mehr Leute einzustellen. Damit sei das Bündnis für Arbeit in Frage gestellt, schließlich hätten die Gewerkschaften mit moderaten und zweijährigen Lohnabschlüssen Vorleistungen erbracht. "Das muss aber von der anderen Seite honoriert werden", ansonsten müssten die Gewerkschaften die moderate Lohnpolitik überdenken.

"Teil der üblichen Rituale" nennt Klaus F. Zimmermann, Chef des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA Bonn), das Säbelrasseln. Gleichwohl äußert Zimmermann im Gespräch mit dieser Zeitung durchaus das Verständnis für die Position. Der DGB fürchte, "vor seinen Mitgliedern mit leeren Händen dazustehen", in der Tat sei der Arbeitsplatzaufbau "dürftig" ausgefallen. Von geschätzten 240.000 bis 250.000 neuen Jobs in 2000 sei etwa ein Drittel der Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in die Zählung zu verdanken. Der enttäuschende Zuwachs liege auch daran, dass Neueinstellungen erst mit Verzögerung dem Konjunkturleitzug folgen. "Dieses Jahr aber ist die Nagelprobe, wenn es nicht zu einem stärkeren Aufbau kommt, hat man ein Problem", so Zimmermann.

Er rechne mit 270.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen, und zwar unter der Annahme, die Wirtschaft werde 2001 mit einer Rate von 2,5 Prozent zulegen. Die Grenze, von der an das Wachstum zum Aufbau neuer Jobs führe, sieht Zimmermann bei 1,5 Prozent. Hans-Peter Klös vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft widerspricht: "Die Beschäftigungsschwelle ist eine politische Größe." Diese gehe davon aus: mehr Volumen gleich mehr Köpfe. Umgekehrt bedeute dies, umso weniger die Produktivität zunehme, desto mehr Beschäftigung. Eine problematische Sicht der Dinge vor dem Hintergrund der weltweit wachsenden Konkurrenz.

Zimmermann sagte weiter, er würde sich durchaus Beschäftigungsinitiativen der Wirtschaft wünschen. Trotz des "Bündnisses für Arbeit" sei im vergangenen Jahr "nichts geschehen". Als mögliches Beispiel nannte der Ökonom den verstäkten Aufbau von Teilzeitjobs für Frauen. "Da hätten die Arbeitgeber durchaus etwas tun können." Damit "wäre vielleicht das Teilzeitgesetz verhindert worden".

Zu den Klagen aus der Wirtschaft über eine zunehmende Regulierung sagte Zimmermann: "Gegen die Klagen würde ich gar nichts sagen, wenn die Wirtschaft selbst etwas machen würde". Trotz der auf das Bündnis für Arbeit bezogenen Arbeitgeber-Schelte fordert Zimmermann eine weitere Deregulierung des Arbeitsmarktes:

  • eine differenziertere Lohnentwicklung: Es solle auch Löhne unterhalb der heute untersten Grenze zugelassen werden.
  • Es sollten längere Arbeitszeiten als heute erlaubt sein.
  • Die Frage der Lockerung des Kündigungsschutzes sei ein "ganz wichtiger Punkt": Zimmermann sprach sich für die Möglichkeit aus, befristete Arbeitsverträge abschließen zu können.
  • Der DIW-Chef spricht sich für Tariföffnungsklauseln aus, um Betrieben in Not Rettungsmöglichkeiten an die Hand zu geben, warnt allerdings vor einer Abschaffung der Tarifautonomie.

Horst Siebert, einer der sogenannten Wirtschaftsweisen, sieht den Weg zu neuen Arbeitsplätzen nur über strukturelle Veränderungen. Die Union will über die Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes den Betriebsparteien mehr Spielraum geben, beim Kündigungsschutz sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber Abfindungsregelungen im Verzicht auf Kündigungsschutzklagen vereinbaren dürfen.


Reprinted with permission.

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