Für Akademiker sieht es gut aus

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February 11, 2014, ZEIT Campus

(Interview with Klaus F. Zimmermann)

Steigende Arbeitslosigkeit, Fachkräftemangel - und ein Job-Boom? Wie passt das zusammen? Und womit müssen Berufseinsteiger in diesem Jahr rechnen?
 

Herr Zimmermann, die aktuellen Schlagzeilen machen ratlos: Es ist die Rede von einem Job-Boom. Angeblich hatten noch nie so viele Menschen in Deutschland Arbeit wie heute. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit wieder gestiegen. Was ist denn jetzt los?

Wir sehen eine zunehmende Spaltung: Einerseits wird es für Langzeitarbeitslose immer schwieriger, einen Job zu finden, weil die Unternehmen infolge der technologischen Entwicklung immer weniger Menschen mit einfachen oder entwerteten Qualifikationen brauchen. Andererseits gibt es zu wenige Hochqualifizierte. Für Uni-Absolventen sieht es also sehr gut aus. In den vergangenen Jahren hatten wir zum Glück eine durchgehende Erholung auf dem Arbeitsmarkt. Die Wirtschaftskrise hat diese Entwicklung nur für kurze Zeit gestört.

Was ist daran neu? Nach offiziellen Statistiken herrscht unter Akademikern seit Jahren Vollbeschäftigung.

Das ist trügerisch: Von Vollbeschäftigung sprechen wir heute schon bei weniger als vier Prozent Arbeitslosigkeit. Viele Menschen finden aber immer noch keine Arbeit. Der formale Abschluss tut nicht viel zur Sache - es sind vor allem die Hochschulabsolventen erfolgreich, die ihre Talente, Neigungen und ihre Ausbildung mit der Bereitschaft verknüpfen, ihre Chancen zu nutzen: Wenn sie bereit sind, sich um Praktika zu kümmern und die Kontakte aus dieser Zeit zu pflegen. Oder wenn sie für einen Job auch in eine andere Stadt ziehen würden. Das zahlt sich aus.

Noch ein Widerspruch zu den guten Aussichten, von denen Sie sprechen: Jeder dritte Berufseinsteiger in Deutschland arbeitet in Teilzeit oder in einem befristeten Job.

Nein, da gibt es keinen Zusammenhang. Die Bereitschaft von Berufseinsteigern, sich erst einmal umzuschauen und von Arbeitgebern kritisch beäugt zu werden, wird auch bei einer guten Lage auf dem Arbeitsmarkt eher noch zunehmen. Unternehmen sind vorsichtiger geworden, was Festanstellungen angeht.

Eigentlich müssten die Unternehmen sich doch um Uni-Absolventen reißen. Oder ist der Fachkräftemangel nur eine Worthülse?

Man muss mit dem Begriff aufpassen. Es sind nicht immer gut bezahlte Hochschulabsolventen damit gemeint. Denken Sie an die Pflegeberufe, wo der Fachkräftemangel schon heute eklatant ist. Akademiker fehlen vor allem in den sogenannten Mint-Berufen, also in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, was aber auch oft dramatisiert wird. Die Studienbereitschaft in diesen Fächern hat ja zugenommen. Und nicht jeder, der heute Ingenieur wird, hat gleichzeitig exzellente Berufsaussichten. Wie gesagt, es geht um den inneren Antrieb, etwas zu leisten. Das kann dann auch mal bedeuten, umzuziehen oder Überstunden zu machen.

Von der Euro-Krise ist Deutschland wohl weitestgehend verschont geblieben. Geht von den Schulden- und Bankenproblemen unserer Nachbarländer keine Gefahr mehr aus?

Unser Arbeitsmarkt ist nur mittelbar betroffen. Weil aber ein Großteil unserer Exporte nach Europa geht, kann die Krise der anderen Länder uns treffen - bislang blieben wir aber verschont. Ich sehe die Euro-Krise als Chance, dass sich die Partnerländer wirtschaftlich neu aufstellen. Dazu gehört, dass das Bankensystem gut reguliert wird. Gelingt das, wird der Euro wieder stark.

Darauf warten nicht alle: In Südeuropa gibt es für hoch qualifizierte Absolventen viel zu wenige Jobs - müssen deutsche Absolventen mit Konkurrenz aus dem Süden rechnen?

Ja. Die EU will, dass die Arbeitsmärkte stärker zusammenwachsen und die Probleme der einen auch die Chancen der anderen sind. Trotz der hohen Arbeitslosenraten und der Lohnunterschiede ist ein Massenansturm der Hochqualifizierten aus Südeuropa bislang aber ausgeblieben.

Einige argumentieren, die Zuwanderung reiche nicht aus, um den demografischen Wandel aufzufangen. Wird es in den kommenden Jahrzehnten sowieso genügend Jobs geben?

Das ist richtig. Künftig gilt noch mehr: Je höher qualifiziert, desto geringer ist das Risiko, arbeitslos zu werden. Das stimmt aber auch in Zukunft nicht für jeden. Es wird auch weiterhin arbeitslose Technik-Spezialisten und Pianisten ohne Engagement geben. Nicht alles lässt sich mit Demografie lösen.

Arbeitsmarktforscher nennen es "Arbeitnehmermarkt", wenn Hochqualifizierte knapp werden und deshalb mehr Verhandlungsmacht haben. Ist das für Frauen eine Chance, bessere Konditionen zu verhandeln?

Kein Unternehmen kann mehr auf Frauenförderung verzichten. Die sehr stark gewordene Leistungskraft von Frauen, die sich in Schulen und Universitäten zeigt, wird sich auch auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen. Der zunehmende Mangel an Humankapital verstärkt diese Entwicklung noch. Das wird in diesem Jahr noch nicht die große Rolle spielen, in zehn Jahren aber schon eher.

In welchen Fächern haben Absolventen die besten Aussichten?

Diese Zusammenhänge ändern sich nicht so schnell: Im technischen Bereich gibt es immer noch die besten Perspektiven, auch das Gesundheitswesen ist ein vielversprechender Sektor. In den Medienberufen, den Geistes- und Sozialwissenschaften sieht es dagegen eher schwierig aus.

Wie sind die Chancen für Geisteswissenschaftler in der freien Wirtschaft, etwa als Philosoph in einer Unternehmensberatung?

Für einen solchen Lebenslauf muss man bereit sein, fachfremd zu arbeiten - was sinnvoll ist. Man sollte ein Studium auch als allgemeines Training für das Leben begreifen. Eine stark spezialisierte Ausbildung ist in unserer schnelllebigen Zeit rasch verflogen.

Klaus F. Zimmermann, 61, ist Arbeitsmarktexperte und Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit

Interview: Jan Willmroth

Aus: [ZEIT Campus 02/2014]


Reprinted with permission.

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