Millionen-Ablöse auf Pump

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September 09, 2013, FOCUS

(Includes statement from Klaus F. Zimmermann)
 

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von FOCUS-Redakteur Axel Wolfsgruber

Trotz Schulden zahlten Fußballclubs noch nie so hohe Transfergelder wie jetzt. Ein deutscher Ökonom fordert deshalb eine Totalreform

Am Tag nach seinem Transfer zu Arsenal London versucht Mesut Özil, tapfer zu sein. „Ich freue mich auf die neue Aufgabe“, wiederholt er immer wieder. Doch der Satz kommt so tonlos, als müsse er sich die Abschiebung in die Premier League schönreden. Stunden vor dem Ende der Wechselperiode kaufte Real Madrid für 100 Millionen Euro den Briten Gareth Bale und schickte Özil gegen 50 Millionen zu Arsenal auf die Insel. Noch bis zu seiner Unterschrift sei er sich „sicher gewesen, dass ich bei Real bleibe“, sagt Özil.

Der Fußballmarkt spielt verrückt. Die dreistellige Millionensumme, die Tottenham Hotspur für Bale kassiert, ist die höchste Ablöse aller Zeiten. In die Top Ten der Rekordtransfers schafften es aktuell zwei weitere Megadeals: Edinson Cavani wechselt für 64 Millionen von SSC Neapel zu Paris St. Germain, Neymar für 57 vom FC Santos zum FC Barcelona. Özil wiederum ist dank der Arsenal-Millionen nun das wertvollste Exportgut der deutschen Historie.

„Ich erwarte, dass die Höhe des Bale-Transfers einen heilsamen Schock ausgelöst hat“, sagt der Präsident der Deutschen Fußball Liga (DFL), Reinhard Rauball. Klaus Zimmermann, Leiter des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit, spricht von einer „dramatischen Aufwärtsspirale“. „Die Preise gegen hoch“, mahnt Oliver Bierhoff, Manager des deutschen Nationalteams: „Für viele Vereine kann das ein Problem werden.“

Längst schauen die meisten Clubs zu, wenn sich Europas Top-Vereine die besten Spieler hin und her schieben. Real etwa legt sich zum Saisonstart für 180 Millionen neues Top-Personal zu – trotz Schuldenstand von 600 Millionen Euro. „Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das schwer nachvollziehbar“, meint Ökonom Zimmermann. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die 100-Millionen-Euro-Marke von Bale deutlich überschritten werde.

Allein die 20 britischen Erstligisten haben in diesem Sommer für 742 Millionen Euro Spieler erworben. Im Vorjahresvergleich stiegen deren Ausgaben damit um fast ein Drittel. Deutsche Bundesligisten investieren 270 Millionen, Italiens Serie A und Spaniens Primera División sogar jeweils rund 400 Millionen Euro. Dabei sind Spaniens Clubs mit 3,6 Milliarden Euro verschuldet.

Um das Ausufern der Transfersummen zu stoppen und einen fairen Wettbewerb zu sichern, fordert Experte Zimmermann eine „weit reichende Reform“ nach dem Vorbild der US-Ligen. Dort existiert kein freier Markt, da die Spieler direkt bei den Ligen angestellt sind. Diese geben die Profis dann per Auswahlverfahren an die Clubs weiter, bei dem die sportlich schwächsten den Erstzugriff auf die Top-Talente haben. Vereinswechsel kommen nur als Tauschgeschäft oder ablösefrei nach Vertragsende zu Stande.

„Gesetzliche oder statuarische Maßnahmen sind mit Blick auf die rechtlichen Grundlagen schwierig, da in die unternehmerische Freiheit und die Vereinsautonomie eingegriffen würde“, kontert DFL-Präsident Rauball. Lösungen müssten aus den Clubs selbst kommen.

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