Das einheitliche Rentenalter ist ein Auslaufmodell

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August 29, 2012, Märkische Oderzeitung

(Interview with Werner Eichhorst)
 

Fünf Fragen an: Arbeitsmarktforscher Werner Eichhorst

Wir erleben gerade einen Wechsel der Einstellung zur Arbeit im Alter, meint Werner Eichhorst, Vizedirektor für Arbeitsmarktpolitik am Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn. Mit ihm sprach Stefan Kegel.

Herr Eichhorst, nach dem lautstarken Protest gegen die Rente mit 67 mutet der Zuwachs der Arbeit im Alter erstaunlich an, oder?

Ja. Es scheint so zu sein, dass in der Praxis für viele der Ruhestand doch nicht so attraktiv ist, um mit 63 oder 65 gar nichts mehr zu tun. Es wächst die Bereitschaft, weiterzuarbeiten und Geld zu verdienen.

Welche Tätigkeiten üben denn die älteren Minijobber aus?

Da gibt es strukturelle Unterschiede. Minijobs sind sonst auf bestimmte Bereiche beschränkt: Zeitungsaustragen etwa, oder Aushilfe in der Gastronomie oder im Handel. Das sind Tätigkeiten, die Ältere dann tatsächlich ausüben und die sich von ihrem angestammten Tätigkeitsfeld durchaus unterscheiden.

Ist das Lebenskonzept des Ruhestands ein Auslaufmodell?

Was ein Auslaufmodell ist, ist eher die Fiktion, dass alle Menschen ein einheitliches Renteneintrittsalter haben sollen und dann an einem bestimmten Stichtag aufhören zu arbeiten, von hundert auf null. Das wird in der Praxis jetzt schon flexibilisiert. Ich denke da zum Beispiel auch an die Altersteilzeit. Man darf aber nicht vergessen, dass der Anteil der arbeitenden Rentner im Vergleich zur Gesamtzahl der Ruheständler noch immer äußerst niedrig ist.

Viele, etwa im öffentlichen Dienst, sind gezwungen, in einem bestimmten Alter mit der Arbeit aufzuhören. Verschenkt man dort Arbeitskraft?

Alle, die aufhören müssen, aber gesundheitlich nicht eingeschränkt sind und Interesse an ihrer Arbeit haben, sollte man nicht davon abhalten weiterzumachen. Das betrifft auch ihre bisherigen Haupttätigkeiten. Da sind sie oft besser eingearbeitet und produktiver als in Minijobs.

Ist der Aufschrei der Sozialverbände berechtigt, dass vor allem drohende Altersarmut die Rentner zur Arbeit zwingt?

Ich kann nicht erkennen, dass wir es hier überwiegend mit einer Arbeitstätigkeit aus der Not heraus zu tun haben. Wir wissen, dass die jetzige Rentnergeneration nicht massiv von Altersarmut betroffen ist. Das mag in zehn oder zwanzig Jahren allerdings anders aussehen.


Reprinted with permission.

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