Jobs entstehen nicht durch Konferenzbeschlüsse

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June 26, 2012, Financial Times Deutschland

(Op-ed by Klaus F. Zimmermann)

Wenn sich die Staats- und Regierungschefs Europas diese Woche treffen, wird es auch wieder um Wachstum und Beschäftigung gehen. Einige Ideen sind sogar hilfreich.
 

Der EU-Gipfel in dieser Woche wird sich mit Wachstum und Beschäftigung befassen. Zugrunde liegt dem ein ambitioniertes Papier mit Vorschlägen für einen "arbeitsplatzintensiven Aufschwung". Bis 2020 sollen knapp 18 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, um eine Erwerbsquote von 75 Prozent zu erreichen. Derzeit liegt sie noch bei etwa 69 Prozent.

Gelingen kann diese ehrgeizige Trendwende allerdings nur, wenn aus früheren Erfahrungen die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Denn schon 2000 wurde in Lissabon beschlossen, Europa zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen - mit mehr und besseren Arbeitsplätzen. Doch diese Vision ist deutlich gescheitert, weil die Strategie zu unverbindlich gewesen ist und zu viele Länder bei den notwendigen Maßnahmen versagt haben. Angesichts von fast 24 Millionen Arbeitslosen in der EU ist das Ziel jetzt in der Krise nicht leichter geworden.

Das neue Programm von EU-Kommissar Laszlo Andor enthält durchaus richtige Elemente wie den Versuch, einen umfassenden Überblick über den Qualifikationsbedarf sowie die kurz- und mittelfristigen Beschäftigungspotenziale zu bekommen. Auch die Überlegungen zu einer Verbesserung der beruflichen Ausbildung sind angesichts der hohen Zahl von Schulabbrechern und Jugendlichen ohne qualifizierten Abschluss folgerichtig. Das gesamte Papier bleibt aber letztlich gerade wegen seines breiten Katalogs an Empfehlungen vage, da Arbeitsmarktpolitik im Kern Sache der Einzelstaaten ist.

Deshalb muss die erforderliche Dynamik von der nationalen Ebene kommen, auch um den landesspezifischen Ursachen der sehr unterschiedlich hohen Arbeitslosigkeit Rechnung zu tragen. Brüssel könnte allerdings helfen, wenn im künftigen Stabilitäts- und Wachstumspakt neben Kontrollmechanismen für ausgeglichene Haushalte auch Anreize für die Beschäftigung eingebaut werden. Zu denken ist dabei an die Förderung von Innovationen in den Schlüsselbranchen der Zukunft: Energie, Gesundheit, Mobilität und Informationstechniken. Fortschritte bei der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte sowie der nachhaltigen Schaffung neuer Jobs könnten prämiert werden: Jüngere müssen früher und besser in Arbeit gebracht werden, Ältere sollten länger in Beschäftigung bleiben, und die weibliche Erwerbsquote muss weiter steigen. Auch die Förderung von Selbstständigkeit verspricht noch Potenzial. Geld für Anreize ist durchaus vorhanden, wenn man die Mittel entsprechend konzentriert. So liegen in den EU-Strukturfonds noch rund 80 Mrd. Euro, die bisher nicht ausgegeben wurden.

Zu Recht legt das Beschäftigungsprogramm "Europa 2020" seinen Fokus auf eine größere geografische Mobilität. Noch immer ist sie innerhalb des Binnenmarkts viel zu gering, weil sie auf vielfältige Hindernisse stößt: voran die Schwierigkeiten bei der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen oder von Ansprüchen bei der Rente. Mit lediglich rund 150 000 Vermittlungen pro Jahr schöpft das Netzwerk der europäischen Arbeitsverwaltungen jedenfalls seine Möglichkeiten nicht aus. Eine effektive, europaweit vernetzte Jobbörse ist deshalb überfällig.

Richtig liegen die jüngsten EU-Vorschläge damit, die weitere Öffnung für internationale Zuwanderung nach Europa zu fordern. Dass Europa in der Welt nicht als offener, zuwanderungsfreudiger Wirtschaftsraum wahrgenommen wird, sondern als komplizierter, kleinteiliger Flickenteppich, ist im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe ein erheblicher Nachteil. Hier hat auch "Musterschüler" Deutschland seine Hausaufgaben noch längst nicht erfüllt: So ist die Umsetzung der europäischen "Blue Card" in nationales Recht zum 1. Juli dieses Jahres zu zögerlich. Sie hält durch eine Vielzahl von bürokratischen Details an hohen Zugangshürden zum deutschen Arbeitsmarkt fest.

Wir brauchen in der EU jetzt einige prinzipielle Weichenstellungen, nicht neue Einzelinstrumenten. Zusätzliche Jobs entstehen nicht durch Konferenzbeschlüsse, sondern nur durch nachhaltiges Wachstum. Scheitert der "arbeitsplatzintensive Aufschwung" - dann droht auch ein Scheitern Europas.

Klaus Zimmermann ist Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Er berät die Europäische Kommission und die Weltbank in Beschäftigungsfragen.


Reprinted with permission.

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