Soll der Stabilitätspakt bei einem Krieg im Irak ausgesetzt werden? Pro: Wir brauchen mehr fiskalische Flexibilität

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February 17, 2003, Handelsblatt

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann)
 

Angesichts der Gesamtlage der Weltwirtschaft, der Konjunktur- und Haushaltskrise in Frankreich und Deutschland und der lähmenden politischen Lage im Nahen Osten ist eine Aussetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Falle eines anhaltenden Irak-Krieges zwingend geboten. Der Pakt ist angesichts seiner Inflexibilität ohnehin in einer Glaubwürdigkeitskrise und bedarf einer dringenden Reform. Im Windschatten dieser Notlagen können die nötigen Strukturreformen in Deutschland um so besser durchgesetzt werden.

Schon jetzt bedroht der Irak-Konflikt die weltwirtschaftliche Erholung. Stark steigende Ölpreise, die Dollarschwäche, ein schwankendes Verbrauchervertrauen, verängstigte Kapitalmärkte und zurückhaltende Investoren sind die treibenden Elemente. Ein weiter schwelender Konflikt oder ein lang anhaltender Krieg mit einem Flächenbrand im Nahen Osten oder gar weltweit würde die Weltwirtschaft hart treffen und Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Rezession stürzen.

Nur im Falle eines raschen Sturzes des Diktators, des Ausbleiben zermürbender Folgen der Besatzung des Landes und schnell fallender Ölpreise könnte diese Bedrohung weichen.

Deshalb erscheint es ohnehin geboten, jetzt einen international koordinierten makroökonomischen Stabilisierungsplan vorzubereiten. Dabei können die seit langem diskutierten Probleme des Pakts korrigiert werden: Aufhebung der unsinnigen Drei-Prozent- Regel, Verpflichtung auf eine mittelfristige Ausgabenkonsolidierung, die eine nachhaltige Sanierung der Haushalte verspricht, und die Einbeziehung von Expertenevaluationen zur Bewertung der Güte einer wachstumsorientierten Steuer- und Abgabenpolitik. Es müssen Anreize gesetzt werden, in Boomphasen massiv zu sparen. Dann können krisenbedingte Einnahmeausfälle zum Wohle der wirtschaftlichen Entwicklung hingenommen werden.

Die Aussetzung des Paktes in Krisenzeiten ließe sich jedenfalls aus dem Vertrag heraus rechtfertigen. Die außenpolitische Krise mit ihren massiven wirtschaftlichen Folgen ist bereits der "außergewöhnliche Umstand", der dies temporär vertragskonform zuläßt. Eine entsprechende politische Entscheidung könnte deshalb rasch umgesetzt werden.

Fiskalpolitische Hardliner insbesondere in Deutschland argumentieren jedoch, eine Aussetzung des Pakts würde den Handlungszwang zu strukturpolitischen Maßnahmen schwächen. Vielmehr müßten die durch das Sparen in der Krise verursachten Wachstumseinbußen hingenommen werden.

Die sich vertiefende Krise produziere dann ja sogar eine Verstärkung des reformpolitischen Handlungszwanges. Erst die Strukturreformen in Verbindung mit der Entlastung der Wirtschaft schafften die Vorraussetzungen für eine langanhaltende Wachstumsphase.

Das ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen brauchen viele Jahre Zeit, um ihre Wirkungen zu entfalten. Und sie müssen von passablen makroökonomischen Rahmenbedingungen unterstützt werden.

Wir brauchen deshalb eine Politik im Doppelpack: ein konjunkturpolitisches Atmen des Haushalts und konsequente Strukturreformen, von der Entbürokratisierung bis zur Sanierung von Arbeitsmarkt und Sozialsystemen. Gerade die außenpolitische Krise und eine größere fiskalische Flexibilität können ein beherzteres Vorgehen bei den Strukturreformen politisch erleichtern. Aber auch Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Forschung dürfen nicht unterbleiben.

Den Berg in Sicht, reicht es nicht, den Fuß von der Bremse zu nehmen, man muß auch Gas geben, um ihn zu bewältigen.


Reprinted with permission.

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