Weltbank: Ein neuer Kopf und ein neues Programm

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April 11, 2012, Handelsblatt

(Op-ed by Klaus F. Zimmermann)
 



Die Weltbank steht vor einem Führungswechsel. Genauso wichtig wie der neue Chef ist aber, dass sich die „Entwicklungshelfer“ darauf konzentrieren, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Wer wird Mitte April zum neuen Präsidenten der Weltbank mit ihren rund 10 000 Mitarbeitern gewählt? Im Vordergrund sollte nicht die Frage stehen, ob es – wie seit ihren Anfängen 1944–wieder ein Amerikaner wird. Die Bank und ihre 187 Mitgliedstaaten brauchen vielmehr eine neue Mission. Ihr angestammtes Geschäft, Kredite für Projekte an Entwicklungsländer zu vergeben, überzeugt nicht mehr so richtig. Denn inzwischen können die BRICSLänder, allen voran China, auf bilateraler Basis Kreditvolumina an Entwicklungsländer in die Hand nehmen, die das finanzielle Vermögen der Weltbank fast in den Schatten stellen.

Die jüngsten Beschlüsse Brasiliens, Russlands, Indiens, Chinas und Südafrikas, parallel zur Weltbank eine eigene Entwicklungsbank zu gründen, ihre Kapitalmärkte zu vernetzen, sind eine Kampfansage an das bisherige System. Vor diesem Hintergrund ist das herkömmliche Modell, die Kreditvergabe an eine Reihe makroökonomischer Konditionen zu koppeln, in einer Krise. Entwicklungsländer fühlen sich freier in der Annahme chinesischer Export- und Projektkredite. Da helfen auch die Versuche des Westens kaum, vor den möglichen Problemen einer politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Chinesen zu warnen. Stattdessen steht die Weltbank vor der Herausforderung, ihr Aufgabenprofil neu zu definieren. Alte Abhängigkeiten lösen sich auf. Die westlichen Wirtschaftsmodelle verlieren an Strahlkraft in dem Maße, wie es die neuen „Aufsteigernationen“ sind, aus denen die größere globale Wachstumsdynamik kommt.

Europa wie Amerika müssen sich also fragen: Was hat der Westen – und implizit die Weltbank – den Entwicklungsländern künftig anzubieten? Welche Rolle können Institutionen wie diese in einer differenzierten Politik der Verständigung und des Ausgleichs der Interessen von Nord und Süd, von Ost und West spielen? Vorrangig ist die Aufgabe, die richtigen Strategien für die weltweite Armutsbekämpfung zu finden, so wie sie von der Weltbank gemeinsam mit der Unound weiteren Partnern 2001 als „Millenniumsziele“ verabschiedet wurden. Es geht aber zugleich um eine international verantwortete Ressourcennutzung und um eine faire Teilhabe aller an der wirtschaftlichen wie politischen Macht.

In dieser anspruchsvollen Agenda ist die Wahl des zwölften Präsidenten der Weltbank eine strategische Weichenstellung. Brasilien schickt dazu den früheren kolumbianischen Finanzminister José Antonio Ocampo ins Rennen; er ist jedoch eher Außenseiter. Favorit ist der von den Vereinigten Staaten vorgeschlagene und wohl auch von Europa unterstützte renommierte Präsident des Dartmouth College, Jim Yong Kim. Diesem Mann mit koreanischen Wurzeln wird zwar zugetraut, den Fokus der Bank auf die Bekämpfung von Krankheit und Elend in den ärmsten Ländern der Welt zu legen; er ist jedoch kein Finanzfachmann. Dagegen besitzt die nigerianische Finanzministerin Ngozi Okonjo-Iweala, nominiert von Ländern wie Angola und Südafrika, die größere Kompetenz für die Kernaufgaben, der Schaffung von Jobs und die Förderung von Wirtschaftswachstum. Sie hat auch lange Jahre bei der Weltbank gearbeitet und kennt den Betrieb. Beide sind in hohem Maße qualifiziert, der Weltbank neue Akzeptanz zu verschaffen.

Die von vielen Globalisierungskritikern angefeindete Institution Weltbank hat im vergangenen Jahrzehnt einen umfassenden Reformprozess durchlaufen. Will sie in Zukunft nachhaltiger Motor der wirtschaftlichen Entwicklung in den Krisenländern der Erde sein, muss sie noch zielgenauer aufgestellt werden.

Sie sollte sich deshalb verstärkt darauf konzentrieren, dass produktive Beschäfti- gung der zentrale Hebel zur Bekämpfung von Armut und Ungleichheit ist. Demzufolge sollte sie konsequent solche Formen des Wachstums fördern, die unmittelbar der Schaffung menschenwürdiger Beschäftigung dienen. Dazu gehört zum Beispiel der Umbau des informellen Sektors, der in den Entwicklungsländern der entscheidende Bereich der Wirtschaft ist, und dabei insbesondere die Förderung von Klein- und Mittelunternehmen.

Ebenso wichtig ist es, örtliche Entscheidungsträger sehr früh in künftige Arbeitsmarktstrategien einzubeziehen. Das vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) und der Weltbank gemeinsam betriebene Forschungsprogramm „Beschäftigung und Entwicklung“ hat einen Schwachpunkt offengelegt: Weil gerade für die ärmsten Regionen der Welt kaum verlässliche Daten vorliegen, ist dort der wirksame Aufbau von existenzsichernder Beschäftigung und stabilen wirtschaftlichen Strukturen bisher äußerst begrenzt.

Wenn es jetzt gelingt, das richtige „Programm“ mit dem richtigen „Kopf“ zu verbinden, könnte die Weltbank zu jener Autorität werden, die so dringend gebraucht wird. Dies spricht für Okonjo-Iweala. Denn so wichtig es ist, die globale Finanzarchitektur krisenfester zumachen – noch entscheidender für eine friedliche internationale Entwicklung ist die Rückbesinnung auf die Frage: Wie sichern wir weltweit nachhaltige Beschäftigung?


Reprinted with permission.

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