Demographischer Wandel: Große Herausforderungen für die Unternehmen

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November 2006, RKW-Magazin

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann)
 

Die Fakten sind seit langem bekannt. Nun aber wird das Menetekel allmählich zur Gegenwart. Innerhalb der nächsten 10 Jahre wird die Generation der Leistungsträger in deutschen Unternehmen, die Generation der 35- bis 45-Jährigen, um 2,5 Millionen gegenüber heute schrumpfen. Das entspricht einem Sechstel des heutigen Bestandes. Die Generation der 15- bis 25-Jährigen wird innerhalb der nächsten 20 Jahre um 2 Millionen zurückgehen. Innerhalb relativ kurzer Zeit werden Unternehmen damit vor Problemen stehen, die sie so bislang nicht kannten. Dabei handelt es sich mehr um Struktur- als um Mengenprobleme. Denn rein zahlenmäßig wird es bis auf Weiteres noch genügend potenzielle Arbeitnehmer geben. Der Rückgang bei den Jüngeren kann zumindest in den nächsten 15 Jahren durch einen etwa gleich starken Anstieg bei den Älteren ausgeglichen werden.

Suche nach Antworten nicht auf die lange Bank schieben

Was aber bedeutet es, wenn das Durchschnittsalter der Belegschaften rasant ansteigt? Können Unternehmen ihre Innovationsfähigkeit dann noch im gleichen Maße aufrechterhalten wie heute? Was bedeutet es, wenn der Zustrom neuen Wissens nicht mehr wie gewohnt von den gut ausgebildeten jungen Mitarbeitern ins Unternehmen getragen wird? Werden ältere Mitarbeiter in der Lage sein, dies durch Investition in Weiterbildung zu kompensieren? Und wenn ja, was muss getan werden, damit sie das tun? Was bedeutet es, wenn betriebsinterne Aufstiegsprozesse behindert werden, weil zu viele Alte zu lange an ihrem Stuhl kleben? Werden Betriebe in der Lage sein, das daraus resultierende Konfliktpotenzial zu bewältigen?
Es gibt einen guten Grund, die Suche nach Antworten auf diese Fragen nicht auf die lange Bank zu schieben: die Trägheit von demographischen Prozessen. Diese Trägheit hat zwar den Vorteil, dass sie lange vorhersehbar sind. Der Nachteil ist jedoch, dass sie zugleich nur langfristig steuerbar sind. Viele Unternehmen agieren dennoch nach dem Motto „Probleme werden erst gelöst, wenn sie da sind“. Befragt man sie nach ihren geplanten Strategien zur Bewältigung des demographischen Wandels, antworten sie an erster Stelle mit der kurzfristigen Intensivierung des Wettbewerbs um den gut ausgebildeten Nachwuchs. Sie übersehen dabei vollkommen, dass eine solche Strategie zwar notwendig sein wird, aber keineswegs hinreichend ist. Wenn sich alle zugleich auf den knapper werdenden Nachwuchs stürzen, wird es zwar Sieger geben, aber ebenso sicher wird ein zunehmender Teil der Unternehmen dabei auf der Strecke bleiben.
Unternehmen sind also gut beraten, sich frühzeitig auf Alternativen einzustellen. Frühzeitig deshalb, weil Potenziale erschlossen werden müssen, die heute noch ungenutzt bleiben. Diese Erschließung kostet nicht nur Geld, sondern vor allem Zeit. Wenn in zehn Jahren ein größerer Anteil eines Jahrgangs von jungen Menschen einen Hochschulabschluss erwerben soll als heute, dann müssen dafür heute die Weichen gestellt werden. Wenn in 10 Jahren mehr Frauen als heute qualifizierte Positionen übernehmen sollen, dann muss heute dafür gesorgt werden, dass diese Frauen in die entsprechenden Karrierepfade eintreten. Und wenn man heute schon weiß, dass in zehn Jahren Ältere mehr gefordert sein werden als heute, dann sollte man auch schon heute dafür sorgen, dass sie diesen Anforderungen in der Zukunft auch gewachsen sein werden. Dazu gehört nicht zuletzt die Überwindung der Frühverrentungsmentalität in den Köpfen der Mitarbeiter. Denn: Wer heute mit Mitte 40 mangels Perspektive keinen Sinn mehr in der beruflichen Weiterbildung sieht, wird mit Mitte 50 vielleicht nicht einmal mehr weiterbildungsfähig sein.


Reprinted with permission.

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