Steuerreform durch Kredite vorfinanzieren. Harter Sanierungskurs muss folgen

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June 30, 2003, Focus 27/2003

(Gastbeitrag Klaus F. Zimmermann)
 

Die deutsche Wirtschaftspolitik ist wahrlich in einer schwierigen Lage. Die schlechten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die so lange ungelösten Strukturfragen auf dem Arbeitsmarkt und bei den sozialen Sicherungssystemen, der zu spät gestartete Prozeß der Sanierung der öffentlichen Finanzen und die vernachlässigten Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Bildung verbauen auf Jahre die Chance, eine nachhaltige Stärkung des deutschen Wachstums einzuleiten. Gleichzeitig Strukturprobleme und die Herausforderung der Konjunkturschwäche anzunehmen, erscheint somit schwieriger als die Quadratur des Kreises.

Die Strukturprobleme Deutschlands würden durch ein weiteres Abgleiten in die Rezession weiter qualvoll offen gelegt und verstärkt. Eine harte, sofort umgesetzte Sanierungspolitik von Haushalt, Arbeitsmarkt und sozialen Sicherungssystemen würde dagegen die Chancen Deutschlands weiter schmälern, die Konjunkturkrise abzuwenden. Angesichts dieser Entscheidungsfalle sitzt Deutschland gelähmt wie das Kaninchen vor der Schlange. Ein Erstarren würde direkt in die chronische Depression führen. Dabei ist dies die Stunde der Strategen. Die Wirtschaftspolitik braucht eine Vision, die die verschiedenen Einzelziele in einen globalen Zusammenhang bringt, das richtige zeitliche Handlungsmuster für den Instrumenteneinsatz findet und bei allem die Entscheidungslogik der Politik nicht außer Acht läßt.

Zunächst einmal muß verhindert werden, daß die ökonomische Stagnation zu einer Rezession oder gar Deflation eskaliert. Dazu bedarf es eines raschen makroökonomischen Flankenschutzes durch konjunkturstabilisierende Maßnahmen und die Sicherstellung der Erwartungen, daß bald nachhaltige Strukturreformen in Kraft gesetzt werden können. Beides kann dazu führen, daß die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und die Anreize zur aktiven, zukunftsorientierten Gestaltung des Wirtschaftsprozesses durch Investoren, Arbeitsanbieter und Konsumenten gestärkt werden. Die Parameter eines solchen Politikdesigns sind einfach: Makroökonomisch gesehen darf die Krise nicht verstärkt werden, indem konjunkturbedingte Staatsdefizite durch Sparen aufgesogen werden. Das Vorziehen der Steuerreform von 2005 auf 2004 würde bis zu knapp 18 Mrd. Euro mobilisieren, was insbesondere dem Mittelstand Erleichterung bringen könnte. Sie wären überwiegend durch Kreditaufnahme vorzufinanzieren, da auch im nächsten Jahr Ausgabenkürzungen konjunkturell kontraproduktiv sind. Das bedeutet die faktische Aussetzung - nicht Abschaffung - des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, wie kreativ immer die Politik das benennen wird.

Auch aufgrund der mittelfristig nötigen Erfüllung des fiskalischen Paktes verstärken die Einnahmenausfälle die Notwendigkeit für eine mittelfristige harte Haushaltssanierung und somit den Reformbedarf. Das Vorziehen der Steuerreform bedeutet nur eine einmalige kreditäre Vorfinanzierung. Wenn damit dauerhafte Ausgabenreduktionen im Staatshaushalt und drastische Sanierungsanstrengungen bei den sozialen Sicherungssystemen und am Arbeitsmarkt erkauft werden können, dann rechnet sich diese Maßnahme auch aus Sicht einer vorausschauenden Strukturpolitik.

Ein harter Sanierungskurs muß durch umgesetzt werden, die jetzt zu beschließen sind, aber erst ab 2005 wesentlich zu wirken beginnen. Dazu gehört ein drastischer Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen, der etwa linear über 5 Jahre jährlich um 20 Prozent erfolgen könnte. Gesundheitswesen und Rentenversorgung könnten dauerhaft gesichert werden, wenn nur noch die Grundversorgung kollektiv bereitgestellt wird. Arbeitsanreize würden dauerhaft gestärkt werden, wenn staatliche Transfers zur Gegenleistung durch Arbeit verpflichten. Neue Jobs entstehen insbesondere dann, wenn diverse Servicemärkte konsequent liberalisiert werden. Die Agenda 2010 beschreibt also den Beginn eines Prozesses, der langfristig wieder zu mehr Wachstum und Vollbeschäftigung führen wird.


Reprinted with permission.

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