Forschungsbasierte Politikberatung – was sonst?

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April 14, 2010, DIW Berlin: Wochenbericht

(Op-ed by Klaus F. Zimmermann)
 



Wie schrecklich: „Einst bibberten Regierungen vor ihrem ökonomischen Urteil, ihre Prognosen sorgten für Aufregung... Heute drohen Deutschlands Wirtschaftsforschungsinstitute in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.“ (Capital 04, 2010, S. 48) Mit Attacken auf die Internationalisierung und Forschungsbasierung der Wirtschaftsforschungsinstitute propagieren solche Stellungnahmen eine Re-Provinzialisierung der deutschen Politikberatung. Das wird wenig fruchten.

Basierend auf Voten von Wissenschaftsrat, Leibniz-Gemeinschaft und der verantwortlichen Politik haben die Institute ihre Forschungs- und Beratungsleistungen internationalisiert und sich dabei breiten Respekt erworben. Diese Orientierung hat sich inzwischen zu einem globalen Wettbewerbsvorteil entwickelt. Sie war auch dringend notwendig: Schließlich trifft die deutsche Politik international auf Regierungen, die sich hochkarätig wissenschaftlich beraten lassen.

Zwar stellt die Verbindung von Forschung und Beratung einen schwierigen Spagat dar, dem nicht jeder gewachsen ist. Aber dennoch ist er das unverzichtbare Leitbild einer modernen und leistungsfähigen Politikberatung. Das gilt für Fragen der Konjunktur ebenso wie für Umwelt, Arbeit oder Innovation. Alles andere sind billige Ausreden.

Wer behauptet, die Nähe zur Politik sei heute verpönt, liegt falsch: Bibbern ist kein Kriterium für gute Beratung. Größere Nähe garantiert dies jedenfalls nicht. Politische und wissenschaftliche Unabhängigkeit ist allerdings heute für den Wissenschaftler mehr als selbstverständlich. Der Verfasser beriet seit Beginn der Wirtschaftskrise unter anderem das Kanzleramt, die deutsche Ministerpräsidentenkonferenz, diverse Bundesministerien, vier Landesregierungen, die Europäische Kommission sowie zahlreiche Vertreter unter anderem der amerikanischen, chinesischen, russischen, japanischen und schwedischen Regierungen.

Politikberatung heute ist intensiver und besser als noch vor einer Dekade. Diejenigen, die Anderes am Erfolg umstrittener heutiger Konjunkturprognosen festmachen wollen, sind Ignoranten. Allein im letzten Jahrzehnt gab es zwei ähnlich große Mediendebatten über Konjunkturprognosen. Die Konjunktur ist an Wendepunkten kaum prognostizierbar. Richtig operiert hier vor allem der Zufall. Die Relevanz der Wirtschaftsforschungsinstitute mit solchen Prognosen bewerten zu wollen, wäre abenteuerlich, auch weil sie nur einen Bruchteil ihrer Arbeit darstellen.

Die Konjunkturprognose ist nicht die Königsdisziplin der Ökonomie. Bankenvolkswirte kennen häufig relevante weiche Faktoren besser als Wissenschaftler, die nicht so nahe am Marktgeschehen operieren. Deshalb ist es schade, dass die Bundesregierung das gemeinsame Angebot des DIW Berlin mit Bankenvolkswirten für die Gemeinschaftsdiagnose nicht näher ansehen wollte.


Reprinted with permission.

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