Wenn die Krise vorbei ist, muss die Kurzarbeit zurückgefahren werden

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April 21, 2010, DIW Berlin: Wochenbericht

(Interview with Klaus F. Zimmermann)
 



Das Instrument Kurzarbeit ist nicht dazu geschaffen, notwendige Strukturanpassungen zu verhindern.

Herr Professor Zimmermann, wie hat sich der Anteil der Kurzarbeiterquote in den letztenn Jahren entwickelt?
Wir hatten zuletzt nach der Wiedervereinigung Deutschlands größere Kurzarbeiterzahlen, um das damalige Problem am Arbeitsmarkt sozial abzufedern. Danach haben wir das Instrument Kurzarbeit jahrelang wenig genutzt und erst in der großen Krise 2008/2009 gab es eine enorme Zunahme der Kurzarbeit. Davon waren bis zu 1,5 Millionen Menschen betroffen. Im Augenblick sind es noch etwa 800 000.

In der Wirtschaftskrise haben viele deutsche Unternehmen mit Kurzarbeit reagiert. Auf welche Branchen trifft das besonders zu?
Mit Kurzarbeit reagierten insbesondere die exportorientierten Investitionsgüterindustrien im verarbeitenden Gewerbe, der Maschinenbau, die Automobilindustrie, aber auch die Textilwirtschaft. Das waren die Branchen, die besonders von der Krise betroffen waren.

Findet man Kurzarbeit auch in Betrieben, die vom Konjunktureinbruch nicht betroffen waren?
Ja, zum Beispiel ist es auch im Baugewerbe zu Kurzarbeit gekommen. Das war etwas überraschend, weil durch die Staatsnachfrage Ersatz geschaffen wurde und genügend Beschäftigungsmöglichkeiten da waren. Auch im öffentlichen Bereich gab es Beschäftigung, die ohne konjunkturellen Druck auf diese Art und Weise abgebaut wurde.

Hat uns die Kurzarbeit in der Wirtschaftskrise vor einem massiven Anstieg der Arbeitslosenzahlen bewahrt?
Der Arbeitsmarkt ist generell flexibler und anpassungsfähiger geworden. Das hat geholfen, aber ohne die Kurzarbeit hätten wir sicher 300 000 bis 400 000 Arbeitslose mehr gehabt.

Bei Kurzarbeit stellt sich die Frage, in welcher Höhe die Sozialbeiträge weitergezahlt werden, und vor allem von wem. Wie sollte dieses Problem gelöst werden?
Der eigentliche Anreiz für Unternehmen ist ja, dass sie einen Teil und manchmal sogar die gesamten Sozialversicherungsbeiträge nicht tragen müssen, wenn sie Kurzarbeit einführen. Das ist bisher so geregelt, dass bis zu einem halben Jahr nur ein begrenzter Teil vom Staat übernommen wird und danach die gesamten Sozialversicherungsbeiträge. Da würde ich nichts ändern, das ist insgesamt ein plausibles Konzept.

Die Wirtschaft soll ja wieder moderat anziehen. Sollte man die Kurzarbeit beibehalten?
Die Arbeitsmarktprognosen sind für dieses Jahr günstig, die Arbeitslosigkeit wird zurückgehen. Die Kurzarbeit ist ein Kriseninstrument. Wenn die Krise vorbei ist, muss sie zurückgeführt werden.

Wird die Kurzarbeitsquote mit einem Anziehen der Konjunktur nicht automatisch zurückgehen?
Die konjunkturbedingte Kurzarbeit geht in der Krise hoch und nach der Krise deutlich zurück. Dafür ist das Instrument da. Natürlich nutzen viele Unternehmen und Branchen dieses Instrument auch für andere Zwecke, nämlich zur Vermeidung von Strukturanpassungen und zur Verhinderung von Veränderungen. Weil wir aber diese Veränderungen brauchen, ist es gefährlich, dieses Instrument weiter beizubehalten. Das Instrument Kurzarbeit ist nicht dazu geschaffen, notwendige Strukturanpassungen zu verhindern.

Wie sollte die Politik reagieren?
Im Moment wird ja versucht, die Ausweitung der Kurzarbeit vorzunehmen. Man erhofft sich, dass dieses Instrument auch in normalen Zeiten hilft, Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Das ist nicht der Fall. Die Politik sollte das Instrument zurück in den Instrumentenkasten stecken und die nächste Krise abwarten, anstatt mit dem falschen Instrument an die Probleme heranzugehen, denn sonst haben wir in Zukunft genau das Gegenteil, nämlich mehr Dauerarbeitslosigkeit.


Reprinted with permission.

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