Die notwendige Versöhnung von Familie und Beruf

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September 08, 2010, DIW Berlin: Wochenbericht

(Op-ed by Klaus F. Zimmermann)
 



Heute beginnt in Kiel die Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik zum Thema Familienökonomie. DIW-Forschungsdirektorin C. Katharina Spiess wird dabei einen Plenumsvortrag halten.

Zu Beginn der 60er Jahre legten Nobelpreisträger Gary Becker und IZA-Preisträger Jacob Mincer die Grundlagen der modernen Familienökonomie und der Ökonomie demographischer Prozesse. Dem lag die Erkenntnis zugrunde, dass ökonomische Wirtschafts- und Verhaltensmodelle nicht an den Türen der Haushalte enden, sondern für das Verständnis von Haushaltsproduktion, der Allokation von Zeit, der Bildung und Funktionsweisen von Partnerschaften und von Reproduktion nutzbar gemacht werden können. Bald stand im Mittelpunkt, dass der Zeiteinsatz Restriktionen unterliegt und Geld kostet, und die Familie komplexe Haushaltsgüter in Verbundproduktion realisiert. 1985, also vor 25 Jahren, wurde mein Buch zur Familienökonomie publiziert, das all diese Themen bereits diskutiert.

Dies ermöglichte, den langfristig zu beobachtenden Geburtenrückgang und den Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit als gemeinsamen Prozess zu verstehen: Steigende Löhne und damit gestiegene Kosten der Haushaltstätigkeit und steigender Attraktivität von Erwerbstätigkeit von Frauen sowie der Wunsch, immer bessere Lebensverhältnisse für (schlussendlich weniger) Kinder zu realisieren, bildeten die Erklärung. Eine Fokussierung der Familienförderung auf Kindergeld und die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen ermöglicht die Auflösung wirtschaftlicher und zeitlicher Restriktionen und die Vereinbarung von Familie und Beruf.

Während die Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland weiter auf Expansionskurs liegt, und Frauen auch relativ zu den Männern glänzend durch die letzte große Wirtschaftskrise gekommen sind, bleibt es beim Geburtenstreik. Auch 2009 haben deutsche Frauen die niedrigste Nettoreproduktionsrate von allen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Demographie und Bildungsexpansion bringen immer mehr Frauen in den Arbeitsmarkt. Eine Ausweitung der gesellschaftlich gewünschten und durch Fachkräftemangel auch nötigen Frauenerwerbstätigkeit ist aber nur mit besseren Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung umsetzbar. Geschieht dies nicht, so werden die Geburten raten weiter niedrig bleiben.

Eine arbeitsmarktorientierte Familienpolitik getragen durch Betriebskindergärten, frühkindliche Betreuungssysteme, ausreichende Kindergartenplätze und eine Ganztagsbetreuung in den Schulen könnte Wirkung zeigen. Eine Abschaffung des Ehegattensplittings erbrächte mehr als 30 Milliarden Euro an Steuereinnahmen zur Finanzierung. Die dadurch weiter steigende Frauenerwerbstätigkeit wäre wachstumsfördernd und würde durch Verlagerung von Haushalts- in Marktproduktion die Binnennachfrage stärken.


Reprinted with permission.

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