Renteneintritt muss flexibler gestaltet werden

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February 2011, DIW Berlin: Wochenbericht

(Op-ed by Klaus F. Zimmermann)
 



Seit vielen Jahren vertrete ich die Auffassung, dass sich das Renteneintrittsalter in Deutschland langfristig auf 70 Jahre zubewegen muss. Wenn der Arbeitsmarkt mitspielt, und davon ist wegen des sich abzeichnenden Fachkräftemangels aufgrund der demographischen Entwicklung auszugehen, dann ist dies der humanste Lösungsansatz für die anstehenden Herausforderungen. Da Zuwanderung das Problem nur temporär mildern kann, wären Renten- oder Leistungskürzungen die unvermeidbare Folge. Versorgungsmängel oder Altersarmut sind aber keine guten Perspektiven.

Nun ist in Deutschland bereits die Einführung der Rente mit 67 heftig umstritten. Es wird sogar schon ihre mögliche Rücknahme diskutiert. Dies widerspricht dem europäischen Trend, da auch die Europäische Kommission die Ausweitung des Renteneintritts auf 70 zum europaweiten Ziel erklärt hat. Jetzt prescht auch Dänemark, einer der skandinavischen Sozialstaaten, mit Plänen über die Einführung einer Rente mit 74 vor. Dies ergäbe sich aus Überlegungen, das Rentenalter an die durchschnittliche Lebenserwartung zu koppeln.

Vor dem Hintergrund solcher möglicher Realitäten kommt es darauf an, neue gesellschaftspolitische Flexibilitäten zu etablieren. Entscheidend ist dabei, dass sich der Arbeitsmarkt für Menschen über 60 Jahre kreativ entwickeln kann. Wichtig dabei ist ein Miteinander aus Voll- und Teilzeitbeschäftigungen, zwischen denen die Arbeitnehmer wählen können.

Deshalb sind die Überlegungen der Bundesregierung, den Renteneinstieg flexibler zu gestalten und die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand deutlich zu verbessern, nachhaltig zu unterstützen. Der Kern eines neuen Regierungsvorschlages ist, einen höheren Hinzuverdienst für junge Rentner zu ermöglichen. Bei einem Renteneintritt vor dem 65. Lebensjahr darf ein lukrativer Nebenjob angenommen werden. Mit der Rente und dem weiteren Zuverdienst soll maximal das letzte Bruttogehalt erreicht werden dürfen. Dies ermöglicht neue Spielräume für einen flexiblen Übergang von voller Erwerbstätigkeit in einen vollen Rentnerstatus, den viele Menschen wollen, und den sie so flexibler gestalten könnten.

Die bisherigen starren Regelungen müssen überprüft werden. Es ist grundsätzlich richtig, den Erwerbstätigen mehr Spielraum bei der zeitlichen Gestaltung ihres Arbeitslebens zu geben und zugleich die Möglichkeiten für längeres Arbeiten attraktiver zu gestalten. Dies trägt den arbeitsmarktpolitischen Bedingungen einer älter werdenden Gesellschaft Rechnung und kann zudem Altersarmut vorbeugen. Wenn wir Ältere länger in Beschäftigung bringen wollen, brauchen wir dazu einen gesetzlichen Rahmen, der mehr den individuellen Bedingungen des Einzelnen entgegenkommt.


Reprinted with permission.

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