Ein Prediger gegen die Herrschaft des Geldes

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November 09, 2011, General-Anzeiger Bonn

(Bericht über IZA Tower Talk mit Norbert Blüm)

Der ehemalige Bundessozialminister Norbert Blüm wirbt in Bonn für eine Renaissance der ehrlichen Arbeit
 

BONN. Die Thesen dieses Mannes klingen einerseits aus der Zeit gefallen, altmodisch, fast vorgestrig. Auf der anderen Seite aber völlig modern und auf der Höhe. Wäre Norbert Blüm heute noch politisch aktiv, würde er problemlos die Säle füllen mit seinem Lob der "ehrlichen Arbeit", mit seinen im Stil eines Predigers vorgetragenen Anklagen gegen eine "wildgewordene Weltwirtschaft" und ihre Protagonisten wie den amerikanischen Milliardenbetrüger Bernie Maddoff oder Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und dessen 25-Prozent-Rendite-Forderungen.

So füllt Blüm, der ehemalige Bundessozialminister (1982 bis 1998), an diesem Dienstagabend den Vortragssaal des vom General-Anzeiger mitveranstalteten "Tower Talk" des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) im Bonner Post-Tower. Der mittlerweile 76-Jährige beschwört in seinem gleichnamigen Buch ("Ehrliche Arbeit", Gütersloher Verlagshaus, 19,99 Euro) eine Arbeitswelt, der der ehemalige Opelaner selbst entstammt. In dieser Arbeitswelt schöpfen Menschen mit Fleiß und Mühe physische Werte. "Es geht um die Würde der Arbeit, um die Anerkennung der Arbeitnehmer", mahnt Blüm.

Das Gegenmodell ist für den ehemaligen Vorzeige-Sozialpolitiker der CDU der Finanzkapitalismus mit seinen "arroganten" Bankern und Börsenhändlern und deren Spekulationen. "Das Geld hat sich selbstständig gemacht", ruft Blüm, "es ist der Realität davongeeilt." Für die Akteure dieses Systems, diese "Heroen der Weltwirtschaft", die der Politik noch kluge Ratschläge erteilten, hat er bestenfalls Spott übrig. In Blüms Visier sind die Weltkonzerne, die "ihre Zentrale in Steueroasen haben und in Billiglohnländern produzieren". Von seiner Anklage gegen den Raubtierkapitalismus nimmt Blüm ausdrücklich die Familienunternehmer und regionalen Sparkassen aus, die ihrer Gemeinwohlverantwortung nachkämen.

Auf Nachfrage von IZA-Direktor Hilmar Schneider gesteht Blüm übrigens einen Fehler aus Regierungszeiten ein. Nein, nicht in Sachen Rente, sondern beim Thema Leiharbeit: die diene vor allem dem Abbau der Stammbelegschaften. "Ich habe die Leiharbeit lange verteidigt", sagt Blüm. "Ich bin klüger geworden."


Reprinted with permission.

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