Modigliani vergleicht Riesters Privatrente mit einer Lotterie

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May 22, 2001, Frankfurter Allgemeine Zeitung

(Bericht über IZA Conference "Pension Reform and Labor Markets")

"Reiche können Risiken tragen, Arme nicht" / Der Staat sollte die Anlage überwachen / IZA-Konferenz
 

Der amerikanische Nobelpreisträger Franco Modigliani hat die neue Riester-Rente mit einem "Lotterielos" verglichen. Die Bürger würden durch staatliche Anreize dazu gebracht, individuell für ihr Alter vorzusorgen - ohne jede Garantie über die zu erwartenden Erträge. Wer sich auskenne oder Glück habe, erhalte im Alter mehr als derjenige, der mit seiner Anlage Pech habe, kritisierte der Ökonom auf einer Konferenz des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) am Montag in Berlin. "Die individuelle Anlage birgt zu hohes Risiko. Reiche können Risiken tragen, Arme nicht", warnt er. Modigliani plädiert daher dafür, alle Gelder für die kapitalgedeckte Zusatzrente gesammelt anzulegen. Die Regierung könne ein Fachgremium berufen, das die Anlage überwache, schlug der Keynesianer vom Massachusetts Institute of Technology vor. Dann ergäben sich einheitliche Zusatzrenten.

Modigliani hält die Rentenreform der Koalition insgesamt für enttäuschend. Sie sei zu zaghaft, um positive Effekte auf den Kapitalmarkt und auf den Arbeitsmarkt zu haben. Er warb in Berlin für eine radikale Lösung: Das gesetzliche Umlagesystem solle vollständig in ein kapitalfundiertes System überführt werden, weil sich durch die Kapitalrenditen auf längere Sicht die Beiträge drastisch verringerten. Modigliani schätzt, daß eine solche Umstellung dazu führen würde, daß 2050 Beiträge von lediglich 6 Prozent statt 20 Prozent des Lohns zur Finanzierung notwendig wären. Der Staat sollte dabei nur für eine Grundsicherung sorgen. "Die Leistungen des deutschen Rentensystems sind mit rund 70 Prozent des Durchschnittseinkommens viel zu hoch", kritisierte Modigliani. Ausreichend sei ein Rentenniveau von etwa 50 Prozent.

Joseph Stiglitz, der ehemalige Chefökonom der Weltbank, teilt Modiglianis Kritik an der individuellen Kapitalanlage. Damit seien viele Schwierigkeiten verbunden: hohe Verwaltungskosten, schlecht informierte Anleger, keine Absicherung gegen Inflation. Durch große, staatlich überwachte Rentenfonds wären diese Nachteile zu vermeiden. Zumindest solle der Staat einen "Benchmark-Fonds" schaffen, an dem die Wettbewerber gemessen würden. Wie Modigliani hält auch Stiglitz ein komplett kapitalfundiertes Rentensystem für effizienter als das Umlageverfahren, bei dem Rentenbeiträge nicht angelegt werden, sondern sofort in die Finanzierung der aktuellen Renten fließen. Allerdings sei der Übergang zur Kapitaldeckung nicht in allen Ländern ohne zu starke finanzielle Belastung der Übergangsgeneration zu schaffen, räumt er ein. Gute Voraussetzungen bestünden aber durch die hohen Haushaltsüberschüsse in den Vereinigten Staaten.

Ken Apfel, bis vor kurzem Direktor der amerikanischen Rentenbehörde, gibt der Reform von Arbeitsminister Walter Riester dagegen teilweise Modellcharakter für die Vereinigten Staaten. Ganz besonders interessant sei der Versuch, durch staatliche Subventionen auch ärmere Bevölkerungsschichten dazu zu bringen, mehr für das Alter zu sparen, sagte Apfel.

Friedrich Breyer, der an der Universität Konstanz lehrt, teilt Modiglianis Thesen, soweit sie die Senkung des Rentenniveaus betreffen: "Eine langfristige, kontrollierte Senkung des Niveaus halte ich für richtig, um die Beiträge zu stabilisieren." Breyer lehnt jedoch nicht nur die Umstellung des Umlageverfahrens auf Kapitaldeckung ab, sondern auch den Versuch, durch staatliche Förderung kapitalgedeckte Zusatzrenten aufzubauen. Aufgabe des Staates sei es nur, über eine Pflichtversicherung dafür zu sorgen, daß niemand im Alter auf Sozialhilfe angewiesen sei. Der Erhalt des Lebensstandards sei Privatsache. Der IZA-Direktor Klaus F. Zimmermann griff die hohen Anreize zur Frühverrentung an. Bald werde die Debatte über eine Erhöhung des Rentenalters geführt werden müssen, erwartet er.


Reprinted with permission.

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