New Economics: Maut als Maßstab

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October 10, 2011, Wirtschaftswoche

(Mit Bezug auf IZA DP No. 5522, Nowcasting Business Cycles Using Toll Data)
 

Online-Version: Neuer Konjunkturindex basiert auf Lkw-Daten

Ein neuer Konjunkturindex misst die deutsche Wirtschaftsleistung mithilfe des Lkw-Verkehrs – unmittelbarer als je zuvor. An der richtigen Stelle kann man der Wirtschaft beim Wachsen zuhören: Wenn es aufwärts geht, piepst es. Das Geräusch kommt aus Geräten, die aussehen wie alte Autoradios, und es ertönt in Lastwagen über zwölf Tonnen, sobald sie auf die Autobahn rollen. Eigentlich zeigt es an, dass jetzt die vom Konsortium Toll Collect eingetriebene Maut fällig wird. Doch die Daten haben noch einen anderen Nutzen, stellen Nikolaos Askitas und Klaus Zimmermann von der Uni Bonn in einer neuen Studie* fest: Man kann damit die Wirtschaftsleistung messen - schneller als je zuvor.

Dahinter steckt eine simple Idee: Je mehr eine Volkswirtschaft produziert, desto mehr Güter werden von Zulieferern zu Unternehmen und von dort zu Händlern und Kunden transportiert. Zugleich sind offizielle Produktionsdaten derzeit nur mit Verzögerung verfügbar: Am Ende jedes Monats melden die Unternehmen ihre Zahlen an das Statistische Bundesamt. Bis zur Veröffentlichung des Produktionsindex dauert es weitere 36 Tage. Die Daten der Messstationen hingegen sind in Echtzeit verfügbar. Zwar werden sie bis dato erst nach drei Wochen vom Bundesamt für Güterverkehr zur Verfügung gestellt, doch schon das bedeutet einen Fortschritt für die Konjunkturanalyse.

Um die Verlässlichkeit der Daten zu überprüfen, verglichen die Forscher diese mit den monatlich erhobenen Daten über die Produktion, die als Frühindikator der BIP-Entwicklung weithin anerkannt sind. Die Daten des Statistischen Bundesamts basieren auf einer Befragung von 6000 Unternehmen, die 80 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung repräsentieren. Dem gegenüber stehen 900000 registrierte Lkws, von denen 42 Prozent im Ausland angemeldet sind. Über die Brummi-Flotte liegen seit 2007 vier verschiedene Informationen vor: die Länge der zurückgelegten Wegstrecken pro Lkw, die Anzahl der Fahrzeuge, die in das Mautsystem ein- und auschecken, sowie die Anzahl der registrierten Strecken. Vergleicht man diese Werte mit der Produktionsleistung im Beobachtungszeitraum, zeigt sich laut Studie ein klarer Zusammenhang. Wann immer die Produktion stieg, nahm die Zahl der Lkw-Fahrten in ähnlichem Maße zu. Der Index scheint damit geeignet zu sein, frühzeitig über die Lage im produzierenden Gewerbe Auskunft zu geben. Er könnte so klassischen Indikatoren Konkurrenz machen: Der Maut-Index wird ab sofort monatlich veröffentlicht – parallel zum ifo-Geschäftsklimaindex.

*Nikolaos Askitas, Klaus Zimmermann: Nowcasting business cycles using toll data. IZA Discussion Paper, August 2011.


Reprinted with permission.

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