Sollen die staatlichen Hilfen für die Opfer der Hochwasserkatastrophe durch höhere Steuern finanziert werden? Pro: Aus Fehlern gelernt

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August 26, 2002, Handelsblatt

(Gastbeitrag Klaus F. Zimmermann)
 

Sollen die staatlichen Hilfen für die Opfer der Hochwasserkatastrophe durch höhere Steuern finanziert werden?
Debatte mit Prof. Bofinger

PRO: Aus Fehlern gelernt


Nun ist die Finanzpolitik auch real in schweres Wetter geraten. Die Erben einer jahrzehntelangen verfehlten Finanzpolitik und eines deutsch-konservativen europäischen Wachstums- und Stabilitätspaktes sehen sich immer mehr vor die aussichtslos erscheinende Aufgabe gestellt, auch angesichts einer depressiven wirtschaftlichen Entwicklung die zugesagte Stabilisierung des Budgets bis 2004 sicherzustellen. Die weltwirtschaftlich geprägte Konjunktur erholt sich nur sehr langsam. Sie kann als Folge der Verpflichtungen aus dem Maastrichter Vertrag durch Fiskalpolitik nicht gestützt werden, noch ist dies von der Geld- oder der Lohnpolitik zu erwarten. Die Wachstumseffekte eines konsequenten Abbaus der Staatsverschuldung werden erst in Jahren sichtbar werden.

So besteht die reale Gefahr, dass trotz einer konsequenten Sparpolitik und einer nachhaltigen Steuerreform zur Entlastung der Bürger und der Unternehmen die Ziele der Fiskalpolitik verfehlt werden. Dies wäre mit einem erheblichen Verlust an Glaubwürdigkeit für die Politik verbunden, sowohl national wie international. Bereits jetzt erscheint es sehr wahrscheinlich, dass das Defizit der deutschen Gebietskörperschaften 2002 die kritische Drei-Prozent-Marke des nominalen Bruttoinlandsprodukts überschreitet und somit eine zumindest formale Verletzung des Vertrages vorliegt.

Die fiskalische Bewältigung der Flutkatastrophe im Osten bringt für diese Debatte eine neue Qualität. Sicher, eine Ausweitung des Defizits als Folge einer solchen Krise ist vom Vertrag gedeckt. Nichtsdestotrotz würde ein solcher Schritt ein weiterer Rückschlag für eine nachhaltig stabile Finanzpolitik darstellen. Nicht alles, was rechtlich geht und kurzfristig bequem umsetzbar erscheint, ist auch eine gute Politik. Die psychologischen Schleusen wären endgültig geöffnet, der Widerstand gegen eine Fortsetzung der Fiskalpolitik deutlich gestärkt. Die Verteilung der Lasten wäre wieder zu Ungunsten kommender Generationen und wegen der Belastung der Kapitalmärkte auf Kosten privater Investitionen erfolgt.

Ein entscheidender Fehler der Politik nach der Einheit war der Versuch, die Lasten aus der Portokasse zu bezahlen, anstatt durch Steuererhöhungen mit der besonderen Lage fertig zu werden. Damals wie jetzt war bei der Bevölkerung die Einsicht in die fiskalpolitischen Notwendigkeiten und die Bereitschaft zur Übernahme ihres Anteils groß. Jetzt hat die Regierung mit der Vertagung der Steuerreform rasch und konsequent aus den seinerzeitigen Fehlern gelernt. Dabei bleibt die Maßnahme gerecht, da alle nach ihrer Leistungsfähigkeit herangezogen werden. Ein Teil der Kosten der großen Flut werden direkt und dauerhaft verteilt, es bedarf keiner weiteren strategischen politischen Spiele.

Dabei sind die konjunkturpolitischen Konsequenzen positiv. Die daniederliegende Bauindustrie insbesondere im Osten erhält eine Atempause. Die Investitionsanstrengungen bekommen die dringend erforderliche Unterstützung. Die geplanten Steuersenkungen wären 2003 teilweise gespart worden. Jetzt werden diese Mittel voll für Investitionen und langlebige Verbrauchsgüter im Osten eingesetzt. Der deutschen Konjunktur kann dies insgesamt nicht schaden, dem Osten wird es spezifisch helfen.

Die Aussetzung der Steuerreform stellt also die Fortsetzung einer klaren und ehrlichen Finanzpolitik dar. Sie reagiert auf die wachsende Schwierigkeit, die Steuereinnahmen zu stabilisieren. Sie verteilt die Lasten sofort gerecht. Und sie steht zum Maastrichter Vertrag, ohne die Konjunktur weiter zu belasten.


Reprinted with permission.

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