Anreiz und Filter

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17. März 2015, Handelsblatt

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann)

Klaus F. Zimmermann plädiert für ein Punktesystem bei der Zuwanderung nach Deutschland.
 

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In die Zuwanderungsfrage ist plötzlich wieder politische Bewegung geraten. Im Zentrum steht dabei die Migration aus Nicht-EU-Staaten in den deutschen Arbeitsmarkt. Allerdings sind 2013 trotz des großen Arbeitsmarktbedarfs nur knapp 34 000 Erwerbsmigranten aus diesen sogenannten Drittstaaten nach Deutschland gekommen. Die begründete Sorge der Politik ist deshalb, dass unser Land auf Dauer weder die kurzfristig benötigten Fachkräfte noch die langfristig aufgrund des demografischen Wandels erforderlichen qualifizierten Einwanderer anziehen wird. Auch bleiben viele dieser Arbeitskräfte nicht dauerhaft im Land.

Ungeachtet dessen lehnen nach dem aktuellen Eurobarometer der EU-Kommission vom November 2014 für Deutschland 61 Prozent eine weitere Zuwanderung aus Drittstaaten ab. Zugleich steht nach einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung nur ein Drittel der befragten Deutschen einer stärkeren Zuwanderung von Fachkräften positiv gegenüber. In den Regierungsparteien ist quer durch die Fraktionen umstritten, ob neue Gesetze nötig sind. Insbesondere scheiden sich die Geister an der Frage, ob ein Punktesystem nützlich ist. Ein solches System, wie es insbesondere durch Kanada bekannt wurde, steuert traditionell Einwanderung nach Kriterien wie Alter, Ausbildung, Beruf, Sprachkenntnissen und Arbeitsmarktbedarfen, für die Punkte vergeben werden. Bewerber können dann nach Höchstpunkten zuwandern, bis eine politisch gesetzte Quote ausgeschöpft ist.

Tatsächlich hat Deutschland heute eines der offensten Regelsysteme der Welt für qualifizierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Dies ist bisher allerdings sowohl der Bevölkerung in Deutschland wie auch den Qualifizierten in der Welt weitgehend verborgen geblieben. Wer einen Universitätsabschluss oder ein bestimmtes Jahreseinkommen hat oder ein Mangelberuf ausübt, kann hierher kommen, insbesondere wenn ein Arbeitsplatzangebot vorliegt. Auch Kanada gibt seit Jahresbeginn dem Jobangebot hohe Priorität. Allerdings hat es damit sein bewährtes Punktesystem nicht aufgegeben, sondern nur flexibel den derzeitigen Anforderungen angepasst.

Für die Erfüllung kurzfristigen Bedarfs ist es richtig und wichtig, auf Signale wie ein Jobangebot und die Koordinationskraft des Arbeitsmarktes zu setzen. Solche Fachkräfte werden aber nicht notwendigerweise auch langfristig benötigt. Sie gehen freiwillig wieder, wenn sie in einem anderen Land bessere Bedingungen vorfinden.

Dauerhaft sollte deshalb aus Drittstaaten nur kommen oder bleiben dürfen, wer besonderen Anforderungen genügt, wie sie typischerweise in Punktesystemen erfasst werden. Dazu gehören Sprachkenntnisse sowie Belege für wirtschaftliche und soziale Integration. Die Chancen der Zuwanderung für Deutschlands Zukunft können nur ergriffen werden, wenn die Fehler der Vergangenheit vermieden werden.

Ein Punktesystem ist ein neutrales Instrument. Es schafft Orientierung und Fokus in der Werbung für Deutschland, signalisiert Integrationsangebote sowie Leistungserwartungen und bietet Transparenz für Zuwanderer und Einheimische, unter welchen Bedingungen Einwanderung und Staatsbürgerschaft möglich sind. Es ist also gleichzeitig Anreiz und Filter.

Vor allem aber hilft es, durch flexible Handhabung von Aufnahmequoten, Festlegung von Mangelberufen und Gewichtungspunkten für die Auswahlkriterien, die durch Verwaltungsvorschriften steuerbar sind, komplexe Gesetzgebungsvorgänge und andauernde politische Grundsatzdebatten zu vermeiden. In dieser Hinsicht ist ein Punktesystem den geltenden deutschen Gesetzen weit überlegen.

Ein Punktesystem kann ferner auch Zuwanderern, die schon als Flüchtlinge oder Asylsuchende in Deutschland leben, die Option bieten, sich für einen dauerhaften Aufenthalt zu bewerben, indem sie durch ihre Qualifikation oder durch Integrationsanstrengungen die Aufnahmebedingungen erfüllen. Auch bereits in EU-Staaten arbeitenden Drittstaatsangehörigen können Sonderpunkte gewährt werden.

Praktikabel umgesetzt könnte die Einführung eines Punktesystems Deutschland langfristig an die Seite der Zuwanderungsländer wie Kanada bringen und so nützliche Optionen für die Gestaltung des demographischen Wandels schaffen. Es wäre die Abkehr vom Image des Landes, das sich Zuwanderern auch dann verwehrt, wenn diese ökonomisch nützlich sind.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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