Wachstum ohne Schulden

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23. Mai 2012, Kölner Stadt-Anzeiger

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann)
 

Um die Eurokrise neben den Sparanstrengungen mit einer neuen Wirtschaftspolitik zu bekämpfen, sollte die EU auf alte Tugenden setzen

Nach dem G-8-Gipfel berät jetzt auch die EU an diesem Mittwoch wieder über Wege zu mehr Wirtschaftswachstum. Damit wird das lange geschmähte "Wachstum" wieder zum Leitbegriff. Ohne Wachstum ist der Wohlstand der westlichen Industriestaaten nicht zu halten, scheitert die Beseitigung der ökonomischen Ungleichgewichte, bleibt Vollbeschäftigung Illusion, verschärfen sich soziale Spannungen und Verteilungskämpfe weiter und bleibt die weltweite Bekämpfung von Armut und Klimawandel unlösbar.

Natürlich ist es ehrenwert, statt eines "unkontrollierten Wachstums" lieber ein "organisches", ökologisch verträgliches Wachstum anzustreben. Doch ein wirklich schlüssiges Konzept hierfür haben auch die jüngsten Reformkommissionen zur Wohlstandsmessung und Glücksforschung nicht gefunden. Bei den Dienstleistungen gibt es keine erkennbaren Wachstumsgrenzen. Der demografische Umbruch schafft neue Märkte und Beschäftigungsfelder im Gesundheitssektor und im Umfeld privater Haushalte. Allerdings kann eine schrumpfende Bevölkerung nur schwer wirtschaftlich wachsen. Das erfordert neue Ansätze in der Familien- und Zuwanderungspolitik.

Neues Wachstum entsteht in Europa nur, wenn wir statt einer fortschreitenden Deindustrialisierung die immer noch vorhandenen Produktionsstandorte stärken. Wenn wir nicht nur mehr in Erfindungen, Bildung und Forschung investieren, sondern die dadurch erzeugten Ideen und Patente auch in Produkte umsetzen, die hier in Europa, und dabei insbesondere in den Krisenländern, hergestellt werden.

Die EU-Kommission will als Teil ihrer Wachstumsstrategie bis 2020 eine Erwerbsquote von 75 Prozent erreichen. Dazu müssen knapp 18 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Aber das Instrument staatlicher Konjunkturprogramme ist gescheitert: Die staatlichen Haushalte sind heute manövrierunfähig und Europas Arbeitslosigkeit liegt dennoch auf Rekordniveau. Deshalb sind zu Beginn Strukturreformen nötig. Deren wichtigste: Je flexibler die Arbeitsmärkte, desto stärker das wirtschaftliche Wachstum.

Versuche, die Schuldenkrise durch noch mehr Schulden zu bekämpfen, führen nur noch tiefer in die Sackgasse. Defizite gar mit Eurobonds zu finanzieren, was wohl Frankreichs Präsident Hollande vorschwebt, wäre ein kräftiger Schritt in die Griechenlandisierung Europas. Die Fehlanreize für säumige Regierungen wären unübersehbar. Vielmehr braucht die EU neben der Schuldenbremse eine wie die Zentralbank unabhängige Fiskalinstanz, die die Disziplin der Mitgliedsstaaten kontrolliert.

Am Anfang des Euro stand bereits ein gemeinsamer "Stabilitäts- und Wachstumspakt". Diesen künftig in beiden Teilen gleichermaßen ernst zu nehmen muss Richtschnur der Strategieberatungen am 23. Mai sein.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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