Nicht mies machen!

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07. Dezember 2000, Die Woche

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann)

Klaus Zimmermann nennt fünf gewichtige Gründe, das Bündnis für Arbeit nicht aufzugeben
 

Das Bündnis für Arbeit ist mit hochfliegenden Erwartungen gestartet. Es stand dann rasch einer Phalanx von Besserwissern gegenüber, die kräftig Gegenwind produzierten und dem Konsensmodell ein schmähliches Ende prognostizierten. Was ist von einem "Bündnis" noch zu halten ist, dem selbst die unmittelbar Beteiligten immer lauter das Totenglöcklein läuten? Einzelne Gewerkschaften drohen mit dem Ausstieg, die Arbeitgeber zeigen sich bockig, und die Bundesregierung - ja, wo bleibt eigentlich ihre entschlossene, führende Hand, die elementar ist für den Korporatismus?

Zu fürchten ist, daß ein Projekt alsbald zu Grabe getragen werden könnte, das Besseres verdient hätte, als permanent in Frage gestellt zu werden. Der eingeschlagene Weg war so erfolglos nicht, als daß er nun achselzuckend wieder verlassen werden sollte. Wichtig war nach der Steuerentlastung vom Dezember des vergangenen Jahres vor allem der mäßigende Einfluß des Bündnisses auf die Tarifverhandlungen und die produktivitätsorientierte Entlohnung, spürbar die Beeinflussung des Lehrstellenmarktes, bedeutsam immerhin auch die Wirkung der Benchmarking-Arbeit im Bündnis. Sie hat letztlich den Beschluß der Bundesregierung bewirkt, endlich Modellversuche zur Erprobung eines Niedriglohnsektors zu starten. Das ist es, was Deutschland noch zu oft fehlt: der Mut zum Experiment, die Bereitschaft, Neues und Unbequemes anzupacken. Und genau das ist es auch, was von einem erfolgreichen Bündnis für Arbeit verlangt werden müßte- allen beginnenden wahltaktischen Erwägungen zum Trotz.

  1. Zu Recht hat der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Jahresgutachten auf den Mangel an Fachkräften bei gleichzeitig eklatant hoher Arbeitslosigkeit von geringer Qualifizierten hingewiesen. Exakt hier wären Akzente durch das Bündnis für Arbeit wünschenswert. Eine größere Lohndifferenzierung, verbunden mit der Subvention eines Niedriglohnsektors und der Stimulierung der Nachfrage für Produkte und Dienstleistungen aus diesem Bereich, ist das eine. Gleichzeitig sollte die Arbeitslosenunterstützung mit dem Ziel reformiert werden, stärkere Anreize zur Weiterbildung und zur aktiven Suche nach Beschäftigung zu vermitteln. Die Aufnahme von Arbeit, nicht Arbeitslosigkeit, sollte primär finanziert werden. Hier sollte sich Deutschland die positiven Erfahrungen anderer Länder zunutze machen.
  2. Die Regulierung der Arbeitszeiten muß gelockert werden. Wenn schon den Arbeitnehmern ein Teilzeitanspruch eingeräumt wird und damit für die Betriebe das Arbeitsvertragsrisiko steigt, sollte umgekehrt auch den Unternehmen mehr Gestaltungsspielraum für Mehrarbeit eröffnet werden. Auch eine stärkere Differenzierung der Lohnabschlüsse nach Branchen und Leistungsgruppen ist nötig. In einer Reform des Betriebsverfassungsgesetzes könnten mehr Möglichkeiten zur Tarifgestaltung vor Ort gegeben werden. Der Abbau dirigistischer Regelungen beim Übergang in die Selbständigkeit sollte konsequenter denn je vorangetrieben werden. Schul- und Ausbildungszeiten müssen reduziert und durch flexible Weiterbildung während der Erwerbstätigkeit ergänzt werden.

  3. Von der anstehenden Verlängerung des Beschäftigungsförderungsgesetzes sind positive Impulse für befristete Einstellungen zu erwarten. Betriebe brauchen den nötigen Spielraum für Risikoeinstellungen nötiger denn je. Darüber hinaus sollte in den Unternehmen in Krisensituationen auch zu geringeren Löhnen mehr gearbeitet werden können. Eine gezielte Flexibilisierung ist letztlich angewandte Sozialpolitik. Es ist eben nicht sozial, Arbeitslosigkeit durch Unbeweglichkeit zu konservieren. Den Dunstkreis der Regulierung sollten wir baldmöglichst verlassen. Hier könnte das Bündnis für Arbeit durchaus reformerisch wirken.

  4. Die derzeitige vergleichsweise günstige Arbeitsmarktentwicklung ist vor allem konjunkturell, teils bereits demographisch bedingt. Nachfrage sichert Beschäftigung, gerade im Bereich der niedrig Qualifizierten. Ihre Stabilisierung tut not. Der Schlüssel zur Bekämpfung der vorhandenen Arbeitslosigkeit liegt aber darin, gezielt neue Tätigkeitsfelder für Geringqualifizierte zu erschließen. Deshalb könnte das Bündnis für Arbeit sein Augenmerk darauf richten, Monopolisierungen und Verkrustungen beispielsweise in der Freien Wohlfahrtspflege aufzubrechen, so daß hier Beschäftigung entstehen kann. Einfache Dienstleistungen könnten durch reduzierte Mehrwertsteuersätze zusätzlich gefördert werden.

  5. Mehr Mitarbeiterbeteiligung - auch dieses Ziel gehört auf die Agenda des Bündnisses. Längst hat sich erwiesen, daß die Unternehmen, die solche Beteiligungsmodelle praktizieren, zu den besonders erfolgreichen gehören. Der indirekte Arbeitsmarkteffekt ist offensichtlich. Die Modelle müssen allerdings sicherstellen, daß dadurch die Mobilität der Arbeitskräfte nicht gefährdet wird.

Es kann nicht bestritten werden, daß manche regionale, lokale und betriebliche "Bündnisse für Arbeit" das Bündnis auf Bundesebene längst hinter sich gelassen haben und im Kleinen durchaus erfolgreich sind. Dabei sollte es umgekehrt sein - das "große" Bündnis als treibende Kraft und Ideengeber für den Gesetzgeber und die beschäftigungspolitischen Maßnahmen vor Ort. Die Niederlande haben Jahre an ihrem Konsensmodell gebaut - und dann vor allem auf die Umverteilung von Arbeit gesetzt, die für Deutschland kaum ein gangbarer Weg sein kann. Da Deutschland den Reformweg zu spät eingeschlagen hat, haben wir keine Zeit mehr. Uns hilft nur Entschlossenheit, wenn nicht im Konsens, dann im mutigen und kämpferischen Kurs der Bundesregierung. Noch bleibt die Hoffnung, daß das Bündnis für Arbeit diejenigen arbeitsmarktpolitischen Pflöcke einzuschlagen vermag, die dieses Land so dringend braucht.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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