IZA-Direktor fordert Korrekturen am Zuwanderungsrecht - Zimmermann mahnt zudem ein Bundesministerium für Integration an

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25. Juli 2010, ddp

(Interview mit Klaus F. Zimmermann)
 

Bonn (ddp). Der Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Klaus Zimmermann, fordert angesichts des Fachkräftemangels deutliche Korrekturen am Zuwanderungsrecht. Ohne eine Öffnung des Arbeitsmarkts könne eine Exportnation wie Deutschland "in der globalisierten Welt nicht bestehen", sagte Zimmermann der Nachrichtenagentur ddp. Er mahnte zugleich die Einrichtung eines Bundesministeriums für Integration und Zuwanderung an, in dem alle wirtschaftlichen, sozialen und bildungsspezifischen Aspekte dieses Themenbereichs gebündelt werden. Nur so entstehe "Politik aus einem Guss". Mit Zimmermann sprach ddp-Korrespondent Jörg Säuberlich.

ddp: Wie bewerten Sie das Zuwanderungsrecht in Deutschland?

Zimmermann: Die geltenden Bestimmungen tragen weder den wirtschaftlichen Zukunftsherausforderungen noch den gesellschaftlichen Notwendigkeiten Rechnung. Trotz schrumpfender Bevölkerung, wachsendem Fachkräftemangel und einer sehr hohen Welthandelsverflechtung fehlt in Deutschland eine nach klaren Kriterien bedarfsgerecht gesteuerte Zuwanderung und ebenso eine vorausschauende Integrationspolitik. Das Ergebnis ist in doppelter Hinsicht negativ: Im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe ist einerseits Deutschland für diese nicht attraktiv genug; statt dessen leben bei uns andererseits zu viele Menschen mit Migrationshintergrund ohne ausreichende Bildungs- und Berufsperspektiven, hohem Armutsrisiko und mangelnder Integration. Das ist ein beängstigender gesellschaftlicher Widerspruch, der aufgelöst werden muss.

ddp: Welche Forderungen haben Sie an die Bundesregierung?

Zimmermann: Bei der Zuwanderung unterstütze ich die jüngsten Vorstöße der FDP und der Grünen, offener und mutiger zu werden und nach dem Beispiel anderer Länder ein Punktesystem einzuführen, bei dem Faktoren wie Alter und Qualifikation die wesentliche Rolle spielen. Denn ohne eine solche Öffnung kann eine Exportnation wie Deutschland in der globalisierten Welt nicht bestehen. Dies erfordert aber eine Kultur, Zuwanderer wirklich willkommen zu heißen und sie in unsere Gesellschaft als eine Bereicherung aufzunehmen. Was im Fußball gelingt, muss doch in allen Teilen unserer Gesellschaft möglich sein. Nachdem der neue Bundespräsident dieses Thema sehr klar erkannt und angesprochen hat, hoffe ich dazu auf eine parteiübergreifende Initiative. Zum Beispiel wäre es auch sinnvoll, alle wirtschaftlichen, sozialen, bildungsspezifischen Aspekte der Integration und Zuwanderung in einem gemeinsamen Bundesministerium zu bündeln. Nur so entsteht Politik aus einem Guss.

ddp: In der Union gibt es allerdings Vorbehalte gegenüber einer Lockerung des Zuwanderungsrechts und Mahnungen, sich um die Integration von deutschen Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu kümmern, statt mehr Zuwanderer ins Land zu holen. Zimmermann: Es bringt uns nicht weiter, deutsche Arbeitslose und Zuwanderer andererseits gegeneinander ausspielen zu wollen. Denn in den technischen Berufen wie bei den sozialen Diensten, um nur zwei Beispiele herauszugreifen, fehlen uns trotz aller Qualifizierungsbemühungen bereits heute Zehntausende von Fachkräften. Und diese Lücke wird immer größer. Wenn wir nicht alle beschäftigungspolitischen Potenziale mobilisieren, drohen Deutschland in den kommenden Jahren erhebliche Wachstumsprobleme.

ddp: Was halten Sie von dem geplanten Test der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, ob anonymisierte Bewerbungen die Erfolgschancen von Jobsuchenden mit Migrationshintergrund verbessern?

Zimmermann: Das ist eine gute Idee. Eine vom IZA publizierte Studie hat am Beispiel junger Türken gezeigt, wie eklatant Migranten oftmals allein schon aufgrund ihres Namens bei einer Stellensuche benachteiligt werden. Deshalb wird das IZA jetzt diesen Modellversuch der Antidiskriminierungsstelle wissenschaftlich begleiten.

ddp: Was erwarten Sie sich von dem Modellversuch?

Zimmermann: Im Ausland wurden mit anonymisierten Lebensläufen teilweise recht positive Erfahrungen gemacht. Diese Beispiele wertet das IZA gerade wissenschaftlich aus, um daraus für unsere Überlegungen in Deutschland zu lernen. Was wir brauchen, ist allerdings eine grundlegend offenere Einstellung. Denn erst wenn benachteiligten ethnischen Gruppen Gelegenheit gegeben wird, sich auf dem Arbeitsmarkt zu beweisen, können Vorurteile abgebaut werden. Dass der neue Bundespräsident in seinen ersten Erklärungen so deutlich den Finger in diese Wunde gelegt hat, ist ein ganz wichtiges Signal, um zu einem generellen Umdenken und zu einem veränderten Bewusstsein in Wirtschaft und Gesellschaft zu kommen.

ddp/jsc/mwa


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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