Ökonomen fordern längere Lebensarbeitszeit

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22. Mai 2001, Die Welt

(Bericht über die IZA Conference "Pensions Reform and Labor Markets")

Nachbesserungen am Rentenreform erwartet - Privatvorsorge soll schneller ausgebaut werden
 

Internationale Wissenschaftler haben die von der Bundesregierung verabschiedete Rentenreform grundsätzlich begrüßt, den Einstieg in die Privatvorsorge aber überwiegend als zu zaghaft kritisiert. Als Problem wurde auf einer Fachtagung in Berlin zudem die geringe Entlastung der Rentenkassen gewertet. Dadurch werde bereits in wenigen Jahren eine erneute Reform des gesetzlichen Umlageverfahrens notwendig, hieß es in einer Stellungnahme der Ökonomen, die auf Einladung des Bonner Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) zusammen gekommen waren.

IZA-Direktor Klaus Zimmermann, der auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin leitet, hob die enge Verzahnung zwischen Arbeitsmarkt und Rentenordnung hervor. Der Anreiz zur Frühverrentung, den das deutsche System setze, gelte es umzukehren, forderten die Wissenschaftler übereinstimmend. Der frühere Chefökonom der Weltbank, Joseph Stiglitz, regte zu diesem Zweck im Gespräch mit der WELT eine Indexierung des Renteneintrittsalters auf Basis der steigenden Lebenserwartung an. Zimmermann schlug eine Modifikation der finanziellen Anreize vor, die eine längere Lebensarbeitszeit attraktiver machten. Sollte sich durch Anreize der Trend zur Frühverrentung jedoch nicht stoppen lassen, sei eine obligatorische Verlängerung der Lebensarbeitszeit nötig, sagte Zimmermann. Der Konstanzer Ökonom Friedrich Breyer befürwortet eine radikale Lösung: Er schlug eine sofortige Streichung aller staatlichen Subventionen vor, die Anreize zur Frühverrentung setzen.

Die US-Wissenschaftlier Stiglitz und Franco Modigliani vom Massachusetts Institut of Technology (MIT) lobten den Einstieg in die staatlich geförderte Privatvorsorge als einen "Schritt in die richtige Richtung". Während Stiglitz besonders im Hinblick auf ähnliche Bemühungen in den USA das Reformwerk der Deutschen als wegweisend lobte, kritisierte Modigliani die staatlich geförderte Sparrate von anfänglich nur einem Prozent des Bruttoeinkommens, die im Laufe von acht Jahren auf vier Prozent ansteigen soll. Dies sei praktisch "nichts", sagte der Nobelpreisträger. Nach Einschätzung der Ökonomen sollten die europäischen Länder darum auch Erlöse aus der Privatisierung von Staatsunernehmen für den Aufbau eines Kapitalstocks der Sozialkassen nutzen.

Rückendeckung aus der Wissenschaft bekamen die Tarifpartner für die Einrichtung überbetrieblicher Pensionsfonds. Stiglitz und Modigliani betonten die Vorteile gepoolter Vorsorgekassen gegenüber der individuellen Altersvorsorge. Diese sparten Transaktionskosten und ließen eine Verteilung von Risiken zu. Überdies sei Erhebungen zufolge der Großteil der Sparer schlecht informiert, so dass eine Delegation der Sparentscheidung auf eine gemanagte Kasse zu empfehlen sei.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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