Institute verdoppeln ihre Forschungsleistung

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20. Februar 2006, Handelsblatt

(Studie zum Publikationsoutput deutscher Wirtschaftsforschungsinstitute)
 

Exklusivstudie zum Publikationsoutput der ökonomischen Denkfabriken zwischen 1997 und 2005

Die Herren Professoren haben allesamt ambitionierte Ziele: Dennis Snower will das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zu einer der "international ersten Adressen der ökonomischen Forschung" machen. Klaus Zimmermann möchte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in ein "pulsierendes Forschungszentrum" verwandeln, "das auch in Brüssel und Washington Gehör findet". Ulrich Blum hat sich vorgenommen, dass das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) für ausländische Institute zu einem "Ansprechpartner auf gleicher Augenhöhe" werden soll.

Wie weit sind die Denkfabriken von ihren Zielen entfernt? Wie steht es derzeit tatsächlich um ihre Qualität? Martin Steininger und Bernd Süßmuth, zwei Ökonomen von der TU München, haben dies in einer Exklusivstudie für das Handelsblatt untersucht. Dafür haben sie die Publikationsleistung der Institute in wichtigen ökonomischen Fachzeitschriften von 1997 bis 2005 analysiert.

Die Untersuchung zeigt: Seit 1997 hat sich die Anzahl der in renommierten Fachzeitschriften veröffentlichten Beiträge mehr als verdoppelt. Noch Ende der neunziger Jahre erreichten nur ganz wenige Institute das für die Präsenz in Fachzeitschriften notwendige wissenschaftliche Niveau. Zwischen 1997 und 1999 stammte gut jede zweite Veröffentlichung eines Instituts aus dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) oder dem IfW. "Dieses Duopol ist Vergangenheit", sagt Steininger. Inzwischen ist der gemeinsame Marktanteil vom IfW und ZEW auf 36 Prozent geschrumpft - obwohl der absolute Forschungsoutput beider Institute jeweils um gut 70 Prozent gestiegen ist. "Kiel und Mannheim sind nicht schlechter geworden - andere Institute sind besser geworden", betont Steininger.

Ifo-Institut auf der Überholspur

Sie mussten besser werden. Denn seit knapp zehn Jahren fordern die öffentlichen Geldgeber eine höhere wissenschaftliche Qualität und lassen die Arbeit regelmäßig durch unabhängige Gutachter überprüfen. Institute, die nicht die Gnade der Evaluatoren finden, sind akut in ihrer Existenz bedroht.

So war das Ifo-Institut Anfang 1998 nur knapp seiner Schließung entgangen und musste einen rigorosen Sparkurs fahren. Der ein Jahr darauf angetretene Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn strich innerhalb von fünf Jahren mehr als die Hälfte aller wissenschaftlichen Stellen. Umso beachtlicher ist die Entwicklung des Forschungsoutputs des Instituts: Er ist innerhalb von neun Jahren um mehr als 400 Prozent gestiegen. Diese Zahl bezieht sich nur auf Arbeiten hauptamtlicher Ifo-Mitarbeiter - Beiträge von Mitgliedern des Forschungsnetzwerks CES-Ifo, die nicht am Institut angestellt sind, wurden gesondert erfasst. Der Marktanteil der Münchener hat sich auf 19 Prozent mehr als verdoppelt. Damit hat das Ifo-Institut das IfW vom zweiten Platz verdrängt und liegt nur knapp hinter dem ZEW. "Wir wollen ganz an die Spitze", sagt Sinn. "Gute wirtschaftspolitische Beratung verlangt gute Forschung, und Beratung ohne Forschung steht auf wackligen Beinen."

Ebenfalls auf der Überholspur befindet sich das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Die 1998 gegründete Forschungsstätte, die von DIW-Chef Klaus Zimmermann geführt und von der Deutschen Post finanziert wird, erreicht einen Marktanteil von neun Prozent. Damit veröffentlichen die IZA-Mitarbeiter fast so viel wie die Forscher von HWWA, IWH und RWI zusammen.

Zwischen den Instituten gibt es zudem erhebliche Unterschiede beim Pro-Kopf-Output der Forscher: Besonders produktiv sind erstaunlicherweise die Ökonomen einer Denkfabrik, die kein reines wirtschaftswissenschaftliches Forschungsinstitut ist - des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB). Jeder WZB-Volkswirt bringt derzeit im Schnitt pro Jahr 1,2 Seiten in Fachzeitschriften unter. "Wir prüfen bei jedem Forschungsprojekt, ob es wissenschaftlich ergiebig ist, und suchen uns die Themen heraus, bei denen wir Pionierarbeit leisten können", sagt Kai Konrad, Chef der WZB-Abteilung "Marktprozesse und Steuerung".

WZB-Forscher sind sehr produktiv

Überdurchschnittlich produktiv sind auch die IZA-Ökonomen: Sie bringen es pro Jahr auf 0,9 Seiten. Alle anderen schaffen dagegen durch die Bank deutlich weniger. Das IfW, ZEW und das Ifo-Institut kommen auf 0,4 Seiten pro Wissenschaftler und Jahr.

Weniger ruhmreich ist die Bilanz für das DIW: Das größte Institut bringt pro Wissenschaftler und Jahr nur 0,2 Seiten in den Fachzeitschriften unter. Auch die Leibniz-Gemeinschaft (WGL) hatte 2005 die Publikationsleistung des DIW als zu gering kritisiert, aber trotzdem für die weitere Förderung des Instituts durch Bund und Länder plädiert. "Wir müssen unsere Pro-Kopf-Publikationsleistung in Zukunft erhöhen", sagt DIW-Chef Zimmermann. "Aber die Zahlen dieser Studie kann ich nicht nachvollziehen, unsere eigenen Auswertungen ergeben ein anderes Bild."

Dass die Publikationsleistung für das Abschneiden bei der WGL-Evaluierung nicht unbedingt entscheidend ist, zeigt auch das Beispiel HWWA, dem die WGL 2003 ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hatte. Die Studie zeigt jedoch: Pro Wissenschaftler erreichte das HWWA einen höheren Forschungsoutput als das DIW oder das RWI, die beide von den Gutachtern bessere Noten erhielten. Das HWWA dagegen bekommt nach dem schlechten WGL-Urteil keine Mittel aus der Bund-Länder-Förderung mehr. Es hat sich in HWWI umbenannt und hält sich mit privatem Geld über Wasser.

Das RWI und das IWH sind die einzigen Institute, die ihre Publikationsleistung in den vergangenen neun Jahren nicht nennenswert gesteigert haben. In beiden Häusern fand der Generationswechsel in der Institutsleitung deutlich später statt. Laut IWH-Chef Blum bildet zudem die Zeitschriftenauswahl der Studie die Arbeitsschwerpunkte seines Hauses nur unzureichend ab. "Ich bin mit der wissenschaftlichen Leistung des IWH zufrieden", betont er. "Wir müssen uns nicht hinter den anderen deutschen Instituten verstecken."

Praktiker warnen zudem davor, die Institute nur noch an ihrer Publikationsleistung zu messen: "Die Institute bilden eine Brücke zwischen der Wissenschaft und der Politik", betont Karl-Heinz Paqué (FDP), ehemaliger Ökonomieprofessor und heute Finanzminister in Sachsen-Anhalt. "Der Forschungsoutput eines Instituts pro Kopf kann daher nicht so hoch sein wie der einer Hochschule."


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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