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28. Juni 2018, Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung

(Interview mit Hilmar Schneider)
 

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Eine ältere Frau ruft an. Sie beklagt sich: Beim Besuch ihrer Verwandten in Pirmasens sei ihr aufgefallen, wie die altbekannte Schuh-Stadt durch den Rückzug der Schuhindustrie gelitten hat. Die Schuhe würden jetzt in Asien hergestellt. Das sei doch schlimm. Gibt es ein breites Unverständnis in der Bevölkerung gegenüber neuen Techniken und neuen wirtschaftlichen Entwicklungen, die damit zusammen hängen? Schneider: Natürlich. Dieser Unwille ist so alt wie die Menschheit. Technischen Fortschritt hat es immer gegeben. Menschen sind ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, sich von dem schweren Los der Arbeit zu befreien und sind dabei sehr erfinderisch. Andere sehen sich dadurch bedroht, fürchten, die Einkommensgrundlage zu verlieren und hätten gerne, dass es bleibt wie früher. Solche Konflikte sind nicht immer friedlich abgegangen... Fahren Sie mal an die Ahrmündung. Dort steht das Böllerdenkmal. Die sogenannten Rheinhalfen haben im 19. Jahrhundert einen richtigen Krieg gegen die Haniels und Stinnes und ihre Dampfschiffe geführt, die ihnen die Arbeit wegzunehmen drohten. Aber in solchen Situationen taucht oft eine verschobene Wahrnehmung auf. Wir sehen, dass Dinge, die lange Bestand hatten, von einem auf den anderen Tag verschwinden. Das ist immer spektakulär. Wir sehen nicht, was an dessen Stelle tritt, weil es sich oft in kleinen Schritten vollzieht. Dabei können wir sicher sein: Auch wenn immer alte Techniken und damit alte Berufe spektakulär verschwinden, hat das unter dem Strich bis heute nicht dazu geführt, dass den Menschen die Arbeit ausgegangen ist. Im Gegenteil.

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Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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